“Ich wollte etwas tun, um die Zukunft meiner Tochter und kommender Generationen zu sichern” – Interview mit Pascal Girardot

citizens-forests.org

Pascal Girardot macht mit dem Verein Citizens Forests Menschen Mut und unterstützt sie dabei, sogenannte “Tiny Forests” vor der eigenen Haustür zu starten.

Pascal Girardot hat 2019 mit Boris Kohnke den Verein Citizens Forests gegründet. Früher war er Manager bei einer Airline, doch nach einem Burnout stand für ihn fest: Ein Job mit Sinn muss her. Heute macht er Menschen Mut und unterstützt sie dabei, sogenannte “Tiny Forests” vor der eigenen Haustür zu starten. Und sie rennen offene Türen ein, denn überall gibt es motivierte Menschen, die anpacken wollen, überall gibt es ungenutzte Flächen und überall gibt es Menschen oder Firmen, die bereit sind, für lokale Projekte zu spenden. Und mehr innerstädtisches Grün ist sowieso gut. Im Interview erfahrt ihr, wie es zu dieser Idee kam und wohin die Reise gehen soll.

 

Welches Problem löst ihr mit Citizens Forests? Warum braucht es dafür genau eure Lösung?

Unser Verein ist davon überzeugt, dass die Gesellschaft im Ganzen gegen den Klimawandel und den Verlust von Biodiversität aktiv werden kann. Das Pflanzen von neuen Wäldern ist eine einfache und sehr effiziente Methode, um die Lebensbedingungen auf unserem Planeten zu verbessern. Als Citizens Forests stellen wir allen interessierten Personen kostenlos das Knowhow zum Aufforsten zur Verfügung und ermutigen sie dazu, ein eigenes Waldprojekt zu starten (ab 60 m2 möglich) und wir bündeln sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten.

Was hast du gemacht, bevor du das aktuelle Projekt/Unternehmen gestartet hast?

Ich war Manager bei einer Airline. Nach einem Burnout sah ich keinen Sinn mehr darin, in dieser Aufgabe und Branche zu arbeiten. Sieben Jahre später, nach vielen Höhen und Tiefen, kam mir die Idee zur Gründung von Citizens Forests. Ich wollte etwas tun, um die Zukunft meiner Tochter und der kommenden Generationen zu sichern.

Was oder wer hat dich dazu bewegt, Sozialunternehmer:in zu werden?

Es herrschte eine Art innere, philosophische Unruhe in mir. Angesichts des enormen Problems des Klimawandels sollte es doch eine Möglichkeit geben, dass wir als Gesellschaft gemeinsam handeln können. Es war für mich unvorstellbar, dass es keine Lösung geben könnte. Durch das Buch “Drawdown – der Plan: Wie wir die Erderwärmung umkehren können” von Paul Hawken bin ich auf die Wirkung einer massiven Aufforstung und der Miyawaki-Methode (Tiny Forests) aufmerksam geworden. Es fehlte nur noch ein skalierbares Konzept. Heute haben wir bereits 29 kleine Wälder in Deutschland begleitet.

Welche eurer Erfolge sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Bei der ersten Pflanzaktion kamen ca. 40 Leute zusammen. Bei der zweiten waren es bereits mehr als 180 und wir mussten die Teilnehmer:innen darum bitten,  pro Person maximal 5 Bäume zu pflanzen. Der Andrang war riesig und es herrschte eine unglaubliche positive Stimmung. So viele strahlende Gesichter, so viele Menschen  aller Altersstufen und unterschiedlicher Herkunft. Es war sehr rührend und spätestens bei dieser Aktion wussten alle Mitglieder des Vereins, dass unser Konzept gebraucht wird.

Gab es Momente, die besonders herausfordernd waren und was habt ihr daraus gelernt?

Das Ausrollen unserer Vision einer waldpflanzenden Gesellschaft ist eine permanente Herausforderung. Wir wissen, dass das Konzept nicht nur gebraucht wird, sondern auch umsetzbar ist. Unsere Wälder sind günstig,da wir die Grundstücke nicht kaufen, sondern nur nutzen. Dies macht die Finanzierung der Pflanzaktionen zu einer einfachen Aufgabe. Mit dieser Erkenntnis fällt es uns immer wieder schwer, den langen Weg der Entwicklung durchgehen zu müssen. Wir versuchen, uns den Druck etwas wegzunehmen.

© Pascal Girardot | Citizens Forests

„Ich wollte der Welt etwas zurückgeben, für eine Organisation, die wirklich etwas bewirkt. Jetzt kann ich mein Wissen, mein Netzwerk und meine Erfahrung für eine gute Sache einsetzen.“
— Pascal Girardot, Gründer und 1. Vorsitzender

Wo soll die Reise in Zukunft hingehen und was sind die nächsten großen Ziele?

In drei Jahren möchten wir 500 Pflanzaktionen pro Jahr durchführen. Dafür benötigen wir im Verein ein festes Team mit klarer Aufgabenverteilung. Unternehmen und Stiftungen sollen die Möglichkeit bekommen, uns dabei zu unterstützen und ein Teil dieser Vision zu werden. Durch die Skalierbarkeit und Teilautomatisierung der Projektkoordinationen lässt sich eine weitere Entwicklung mit niedrigem Personaleinsatz umsetzen. Nach Deutschland und Österreich könnten dann andere Länder folgen.

Was hättest du gerne gewusst, bevor ihr euer Projekt/Unternehmen gestartet habt? Welchen Rat würdest du anderen mit auf den Weg geben?

Ich hätte gerne mehr über Bäume gewusst. Die Vision des Vereins hat jedoch Menschen begeistert, dem Verein beizutreten und dadurch ihr botanisches Fachwissen und weitere Expertise einzubringen. Wir sind eine coole, bunte Gruppe, die sich hervorragend ergänzt. Mein Ratschlag lautet: Wenn du weit kommen möchtest, solltest du nicht alleine gehen.

Welchen Podcast hörst du regelmäßig? Welches Buch ist für dich persönlich ein absolutes Must-read?

Ich höre gerne Podcasts von Deutschlandfunk. Mein absolutes Lieblingsbuch ist ‚Eine kurze Geschichte der Menschheit‘ von Yuval Noah Harari. Ich wünsche mir sehr, dass das Ergebnis seiner Recherchen über unsere Entstehung irgendwann Teil unseres Schulprogramms wird. Es ist wichtig zu erfahren, woher wir kommen, bevor wir entscheiden, wohin wir wollen!

Was sind deine Tipps für den Alltag, um Gutes zu tun? Und wo fällt es dir vielleicht eher schwer, nachhaltig zu leben?

Durch mein Engagement bei Citizens Forests, ist mir der ökologische Preis meines täglichen Lebens deutlich bewusster geworden. Ich überlege mir vor jedem Kauf sehr genau, ob ich es brauche. Auch bin ich seit  zwei Jahren Vegetarier. Da meine Familie in Frankreich lebt, lässt sich ein Besuch leider nicht so einfach mit dem Zug umsetzen. Daher muss ich leider häufig auf das Auto zurückgreifen.

Welche Organisation bzw. welches Start-up beeindruckt dich besonders und ist für dich ein wahres Vorbild?

Ich finde, dass die Arbeit von ‚Das Geld hängt an den Bäumen‘ sehr inspirierend ist. Es werden Äpfel geerntet, die ansonsten an den Bäumen verfaulen würden, und daraus werden leckere Säfte hergestellt. Dabei sind Jobs für Menschen entstanden, die sonst keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Das Gründerteam besteht aus  Spitzenmanager:innen, die irgendwann auch keinen Sinn mehr in ihrem Job gesehen haben. Ja… wieder die Sinnfrage.

Ergänze diesen Satz: Die Welt braucht mehr…

… Menschen, die Visionen haben! 

Gibt es etwas, was du unbedingt noch sagen willst?

Ja, unbedingt! Trotz des hohen Arbeitsaufwands, den ich wie andere Mitglieder des Vereins für die Umsetzung unserer Vision leiste, empfinde ich eine absolute Dankbarkeit für das, was ich tue. Ich habe das Glück, etwas Sinnvolles voranzutreiben zu dürfen, das Menschen zusammenbringt und Hoffnung gibt. Dieses Gefühl ist unbezahlbar. Ich hätte nie erwartet, dass ich es jemals so empfinden würde.

Wir unterstützten Citizens Forests im März 2024. Mehr hierzu erfahrt ihr auf unserer Projektseite: