„Durch persönlichen Kontakt können Ängste und Vorurteile am schnellsten aufgelöst werden“ – INTERVIEW
Lisa Ertle ist Mitgründerin der Freiburger Bildungsinitiative Zeugen der Flucht e.V.. Während der Flüchtlingskrise 2015/2016 fragten sie und ihre Mitstudierenden sich: Wie können wir Menschen für die Lebenssituation geflüchteter Menschen sensibilisieren? Heute ist der Verein erfolgreich in der antirassistischen Bildungsarbeit aktiv. Das Team aus jungen Menschen mit und ohne Fluchterfahrung will Fluchtbewegungen Gesichter geben. Sie besuchen Schulklassen und ermöglichen so einen direkten Austausch zwischen Geflüchteten und Jugendlichen auf Augenhöhe.
Welches Problem löst ihr mit Zeugen der Flucht e.V.? Warum braucht es dafür genau eure Lösung?
Debatten um Flucht und Asyl sind oft geprägt von Vorurteilen, Ängsten und der Berichterstattung in den Medien. Dem wollen wir etwas entgegensetzen. Nach dem Motto „miteinander statt übereinander sprechen“ ermöglichen wir direkten Austausch mit Geflüchteten. Durch persönlichen Kontakt können Ängste und Vorurteile am schnellsten aufgelöst werden.
Was hast du gemacht, bevor ihr Zeugen der Flucht gestartet habt? Und was oder wer hat dich schließlich dazu bewegt, Social Entrepreneurin zu werden?
Ich habe als Pädagogin in einer Inobhutnahme-Gruppe für unbegleitete minderjährige Geflüchtete gearbeitet. Dort hatte ich mit Jugendlichen zu tun, die alleine nach Deutschland geflüchtet sind. Deren Geschichten zu hören und gleichzeitig in den Medien zu sehen, wie sich Menschen über brennende Heime freuen und Geflüchteten „geht nach Hause“ zurufen, passte nicht zusammen. Ich hatte das Bedürfnis etwas zu tun. Viele haben nicht verstanden, was es bedeutet zu fliehen und kein Zuhause mehr zu haben.
Was waren bislang eure größten Erfolge?
Über 150 Workshops, Förderungen verschiedener Stiftungen und Unterstützer*innen, Integrationspreis der Stadt Freiburg, zweiter Standort in Dresden, 5-jähriges Vereinsjubiläum.
Gab es Momente oder Herausforderungen, wo du dachtest, dass du scheiterst und alles hinschmeißen musst?
Ja, während der Corona-Pandemie, als persönliche Begegnungen, das wichtigste Element unserer Workshops, plötzlich nicht mehr möglich waren.
Wo soll die Reise in Zukunft hingehen und was sind die nächsten großen Ziele?
Weitere Standorte in ganz Deutschland!
© Lisa Ertle
„Ich habe als Pädagogin in einer Inobhutnahme-Gruppe für unbegleitete minderjährige Geflüchtete gearbeitet. Dort hatte ich mit Jugendlichen zu tun, die alleine nach Deutschland geflüchtet sind. Deren Geschichten zu hören und gleichzeitig in den Medien zu sehen, wie sich Menschen über brennende Heime freuen und Geflüchteten „geht nach Hause“ zurufen, passte nicht zusammen. Ich hatte das Bedürfnis etwas zu tun. Viele haben nicht verstanden, was es bedeutet zu fliehen und kein Zuhause mehr zu haben.“
— Lisa Ertle, Vorstandsvorsitzende von Zeugen der Flucht e.V.
Was würdest du als Social Entrepreneurin raten, wenn man eine großartige innovative Idee hat, aber nicht weiß, wie man starten soll?
Es braucht motivierte Leute und dann, einfach machen. Einfach mal klein anfangen, das meiste ergibt sich mit der Zeit.
Was ist deine persönliche Inspirationsquelle (z.B. Buch, Podcast), die dich auch an schwierigen Tagen motiviert?
Was mich immer wieder motiviert sind die tollen Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Die Ehrenamtlichen. Und dann auch die Arbeit selbst. Die Workshops mitzuerleben macht so viel Spaß, das motiviert dann auch wieder an Tagen mit langweiliger Büro- und Orga-Arbeit.
Was sind deine Tipps für den Alltag, um Gutes zu tun? Und wo fällt es dir vielleicht eher schwer, nachhaltig zu leben?
Offen sein und sich von anderen Menschen inspirieren lassen. Vielleicht auch gerade auf die Menschen zugehen, mit denen man sonst eher nicht in Kontakt kommt. Manchmal fällt mir aber genau das selbst schwer. Seine Komfortzone zu verlassen, ist nicht immer leicht.
Ergänze diesen Satz: Die Welt braucht mehr …
… miteinander statt übereinander sprechen!
In unserem neuen Magazin-Format interviewen wir interessante Entrepreneur:innen und richten damit den Fokus auf ihre Idee und ihre ganz persönliche Geschichte. Die Interviews sollen inspirieren, motivieren und Mut machen, eigene Ideen in die Tat umzusetzen.
Du kennst eine:n Gründer:in oder Entrepreneur:in mit einer spannenden Story, die/den wir unbedingt einmal interviewen sollten? Dann schreib uns!
Andreas Renner, Co-Founder GOOD: andreas@good-search.org
Wir haben Zeugen der Flucht e. V. im Februar 2022 mit den Einnahmen von GOOD unterstützt. Mehr hierzu erfahrt ihr auf unserer Projektseite: