Bildungsarbeit zu Themen, die sonst nicht auf dem Lehrplan stehen

© Felix Groteloh / Zeugen der Flucht

Wie kann man unkompliziert Brücken zu Jugendlichen bauen und ihnen bestimmte sensible Themen näherbringen und so Vorurteile abbauen? Indem man dort hingeht, wo sie täglich anzutreffen sind: in der Schule. Gute Beispiele hierfür zeigen diese vier Initiativen.

Wir stellen gleich mehrere außergewöhnliche Initiativen vor, die sich mit ihrem Engagement auf ganz unterschiedliche Weise für ein besseres Miteinander einsetzen. Sie alle holen die Jugendlichen dort ab, wo sie jeden Tag anzutreffen sind. Indem sie im Klassenzimmer Basiswissen zu aktuellen, sensiblen Themen vermitteln und gleichzeitig einen Austausch mit unterschiedlichen Personengruppen ermöglichen, stärken und empowern die Initiativen gezielt Jugendliche. So kann gesellschaftliche Verantwortung gelingen.

Die Lehrpläne von Schulen sind prall gefüllt. In ihnen steht, was die Lehrer:innen ihren Schüler*innen beibringen sollen, gegliedert nach Schultyp und Klassenstufe. Viele Themen sind faktenbasiert und werden von den Schüler:innen oft als zäh, weit weg vom Lebensalltag von Teenagern, wahrgenommen. In einer Welt, in der Jugendliche an die farbenfrohe visuelle Welt des Internets gewöhnt sind, wird es zunehmend schwieriger, Schüler:innen für kopierte Vorlagen und seitenlange Texte zu begeistern. 

Das Konzept der persönlichen Begegnungen auf Augenhöhe mit Menschen mit anderen Hintergründen und Erfahrungswissen bietet Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit, eine Vielzahl an gesellschaftlich relevanter Themen anschaulich und emotional packend zu vermitteln und dabei Toleranz und Mitmenschlichkeit zu stärken.

 

Zeugen der Flucht e.V. – Antirassistische Bildungsarbeit

Wie kann man Menschen für die Lebenssituation geflüchteter Menschen sensibilisieren? Der von Studierenden gegründete Verein “Zeugen der Flucht” ermöglicht den direkten Austausch zwischen Geflüchteten als Zeitzeug:innen und jungen Menschen in Bildungseinrichtungen und leistet so einen Beitrag zur antirassistischen Bildungsarbeit. Debatten um Flucht und Migration sind oft geprägt von Vorurteilen, Angst und der Berichterstattung in den Medien. Wer jedoch miteinander und nicht übereinander spricht und eigene Erlebnisse und Sichtweisen teilt, wird andere Perspektiven einnehmen und die Lebenssituation der Menschen besser verstehen. Die persönliche Begegnung und die Offenheit ergänzen das mediale Bild und die Themen Flucht und Migration werden nahbar und verständlich. Das hilft, Verständnis auf- und Vorurteile abzubauen, da die Treffen einer Stimmung von Angst und Verunsicherung entgegenwirken, die häufig zu Diskriminierungen und Vorurteilen führt.

Danke! – Mit Hilfe deiner Suchanfragen konnten wir Zeugen der Flucht finanziell unterstützten. Weitere Infos findest du auf unserer Projektseite.

FLUSS e.V. – Bildungsarbeit zu Geschlecht und sexueller Orientierung

Wie kann die Unterschiedlichkeit von Menschen als Bereicherung wahrgenommen werden? Das ist ein großes Anliegen des Vereins “Fluss” bei der Zusammenarbeit mit Schulen. Dafür ist das Wissen über die Vielfalt verschiedener Lebensformen, Körpergestaltungen und Identitätsentwürfen unabdingbar. Mit Hilfe verschiedener methodischer Bausteine wird ein auf die jeweilige Gruppe zugeschnittenes und altersgerechtes Konzept entwickelt, das gezielt auf Fragen und den aktuellen Wissensstand der Jugendlichen eingeht. Da das Team die Situation von schwulen, lesbischen, bi-, a_-sexuellen, intergeschlechtlichen, queeren, transidenten und Transgender-Jugendlichen aus der eigenen Biographie kennt, können die Trainer*innen  persönliche Erfahrungen authentisch weitergeben. Das ist wichtig für eine erfolgreiche Bildungsarbeit an Schulen. Gut informiert sein und sich persönlich kennenlernen – das baut Vorurteile ab und minimiert Diskriminierung.

© Anne Amberg / Fluss e. V.

ZWEITZEUGEN e.V. – Erinnern ohne Zeitzeugen

Jeder, der heute einem Zeugen zuhört, wird selbst ein Zeuge werden. Davon geleitet sammelt und dokumentiert der Verein “Zweitzeugen” (Über-)Lebensgeschichten des Holocaust, um sie nachfolgenden Generationen weiterzuerzählen. Die persönlichen Lebensgeschichten Holocaust-Überlebender helfen jungen Menschen, Geschichte zu begreifen. Zweitzeug:innen berichten in Schulklassen von den eindrucksvollen und mutigen Geschichten der Überlebenden, wenn die Zeitzeug:innen es selbst nicht (mehr) können. Dadurch ermutigt und befähigt der Verein (junge) Menschen, sich durch das Weitergeben der Geschichten selbst aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus im Heute stark zu machen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Das Wichtigste auf dem Weg zu einer offenen und vielfältigen Gesellschaft ist, die Geschichten der Zeitzeug:innen nicht verstummen zu lassen. 

GEFANGENE HELFEN JUGENDLICHEN – Kriminal- und Gewaltprävention 

Wie können Jugendliche über die Konsequenzen kriminellen Verhaltens aufgeklärt werden? Der Verein “Gefangene helfen Jugendlichen” hat einen einzigartigen Lösungsansatz: Ehemalige Inhaftierte vermitteln Kindern und Jugendlichen die Folgen von Straftaten und Gewalt. Dieser Perspektivwechsel ermöglicht eine wirksame Kriminal- und Gewaltprävention und unterscheidet sich so von klassischem Präventionsunterricht durch zB Polizeibeamte. 

Aufgrund der eigenen Biografien wirken die Ex-Gefangenen auf die jungen Menschen authentisch. Sie wissen aus eigener Erfahrung wovon sie sprechen, denn sie haben die negativen Folgen des eigenen kriminellen Handelns selber erlebt. Dementsprechend können sie ihre Botschaft glaubhaft vermitteln und bekommen schnell Zugang zu den Jugendlichen. Darüber hinaus besuchen Mitarbeiter:innen des Vereins Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen und klären über Haftbedingungen, das Leben in Haft, das Abrutschen in das kriminelle Milieu, Jugendgewalt und über Erfahrungen ehemaliger Inhaftierter auf.

«Im Rahmen unserer Arbeit geht es darum, bei den Jugendlichen eine höhere Sensibilität für andere zu entwickeln und Hilfsbereitschaft sowie positives Verhalten zu fördern, in dem sie auf die Folgen ihres Handelns für eine andere Person hingewiesen werden, also Zusammenhänge hergestellt und eigenes Fehlverhalten einsichtig gemacht wird.» Volkert Ruhe, Geschäftsführer GhJ