Lasst die jüngere Generation ran!

Foto: Unsplash / Markus Spiske

Wir brauchen eine Wirtschaft, die robuster, anpassungsfähiger, grüner und vor allem menschlicher ist. Wer diesen Umbau schaffen kann: die jüngere Generation!

Wir stecken mitten in der Corona-Krise. Die politische Diskussion kreist um die Frage, wie die Politik mit Geldtransfers und Wirtschaftshilfen die Situation stabilisieren kann. Wir möchten die Diskussion um einen Aufruf bereichern, wie wir die Wirtschaft besser machen können: Gebt der nächsten Generation mehr Möglichkeiten, die Wirtschaft so zu gestalten, wie sie es möchte!

Dies bedeutet nicht nur, darauf zu vertrauen, dass die nächste Generation einen vernünftigen Wertekompass hat. Es kommt ein zweiter Aspekt hinzu: Lasst uns die Voraussetzungen schaffen, dass noch mehr junge Menschen sich unternehmerisch engagieren können. Wir sind überzeugt, dass dies zu einer Fülle neuer Geschäftsmodelle führt, die die Welt gerechter und nachhaltiger machen und künftige Krisen besser meistern lassen.

Die drei hier skizzierten Initiativen zeigen, wie das gehen könnte. Sie stärken den entrepreneurial spirit an Schulen, an Universitäten sowie über einen gesamten Kontinent hinweg.

Entrepreneurship als Bildungsinhalt in den Schulen verankern – NFTE

Die Non-Profit Organisation NFTE – Network For Teaching Entrepreneurship hat sich zum Ziel gesetzt, den Unternehmergeist bei Jugendlichen zu wecken. Hierzu hat die Organisation ein weites Netzwerk zu Schulen und Lehrern aufgebaut.

Ihre Überzeugung: Wir brauchen ein entrepreneurial Mindset und ein tiefgründiges Verständnis dessen, was Unternehmertum für die Gesellschaft leisten kann, damit die heranwachsende Generation die sich stellenden Probleme lösen kann – ob Klimaschutz, finanzielle Absicherung oder eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft. 

Ganz nach diesem Motto engagiert sich NFTE bereits seit 1987 für die Integration von Entrepreneurship als Bildungsinhalt in den Schulen. Zunächst in den USA, und später international. NFTE ist in 15 Ländern aktiv, seit 2004 auch in Deutschland. Insgesamt wurden 1,1 Millionen Schüler*innen im Alter von 13 bis 18 Jahren begleitet, davon 27.900 in Deutschland.

«Die Vermittlung von Unternehmergeist verändert die Denkweise, verändert das Leben, verändert die Welt. Wir müssen junge Menschen mit dem Blick eines Innovators und dem Mumm eines Gründers ausstatten – den Fähigkeiten, sich in einer innovativen Wirtschaft auszuzeichnen.» NFTE

Das Ziel des mit dem phineo „Wirkt!“-Siegel ausgezeichneten NFTE Deutschland Vereins ist die Stärkung von Selbstvertrauen, Eigeninitiative, und unternehmerisches Denken und Handeln bei Jugendlichen, insbesondere auch bei Schüler*innen mit eher schlechten Startchancen, die durch das NFTE Programm in der Persönlichkeit gestärkt werden und so besser gewappnet sind, um ihre soziale Benachteiligung zu überwinden. 

NFTE USA entwickelte 8 Module, in denen die Schüler lernen, wie ein Entrepeneur zu denken und in denen sie eine eigene Geschäftsidee für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Die Kurse finden teilweise online und teilweise in den Schulen statt. Die Krönung ist der lokale und dann nationale Wettbewerb, bei dem die Schüler ihre Projekte in Präsentationen vorstellen. Die Gewinner bekommen Startkapital, welches sie entweder in die Implementierung des Business-Projekts stecken können, oder für ihre weiterführende Bildung nutzen können. Das deutsche NFTE hat das Programm so übernommen, und veranstaltet gemeinsam mit den europäischen NFTE-Organisationen einen jährlichen europäischen Wettbewerb. In Europa gibt es das Youthstart Netzwerk, das die europäischen nationalen NFTE Organisationen und weitere Entrepreneurship-Initiativen vereint.

In einem dreitägigen Training für Lehrer können diese sich von NFTE zum Certified Entrepreneurship Teacher auszeichnen, der mit den Schülern das NFTE-Kursmaterial durchführt. Weitere Vertiefungskurse sind möglich. In Deutschland arbeitet der Verein mit mehr als 800 Schulen und begleitet dabei ca 2.200 Lehrer. Angesichts der ca 750.000 beschäftigen Lehrer in Deutschland ist da noch viel Luft nach oben.

Die Dachorganisation hat mit ihrem Programm „World Series of Innovation“ zudem eine Serie von Online Challenges für Schüler entwickelt, bei dem es darum geht, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die gezielt einen Beitrag zu den 17 UN Nachhaltigkeitszielen leisten. Das digitale Programm wird teilweise durch Firmenpartnerschaften getragen, die eigene Impulse oder Mentoring-Leistungen mit einbringen.

Als Student*in soziale Startups gründen – Enactus

Enactus möchte Studierende inspirieren, die Welt durch unternehmerisches Handeln nachhaltig zu verbessern. Und dies mit Wucht: Mit mehr als 72.000 aktiven Student*innen , 550 Unternehmen und 1.730 Hochschulen ist Enactus eines der weltweit größten Studierendennetzwerke – und vielleicht das größte Netzwerk für soziales Unternehmertum überhaupt.

Jährlich werden Ideen und Geschäftsmodelle in 3.800 Projekte weltweit umgesetzt. Student*innen aus 35 Ländern schließen sich in Projektgruppen zusammen und werden praktisch darin unterstützt, eigenständige soziale Unternehmen zu gründen. Alle Projekte nehmen Bezug auf die 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, mit einem Fokus auf Verbesserung der  Lebensqualität von Menschen sowie Schutz und Erhalt unserer Umwelt. Dies wird unter anderem dadurch erreicht, dass die Teams Arbeitsplätze schaffen, Business Innovation voranbringen und neue Energie und Lösungen für den sozialen Impact Sektor liefern.

«Gemeinsam die Welt im Kleinen verbessern und dabei ein Teil des weltweit größten Netzwerks aus Studierenden, Unternehmen und Universitäten werden.» – Enactus Motto

Die Grundprinzipien von Enactus sind im Namen verankert. Enactus steht für den unternehmerischen Geist (ENtrepreneurial), den Gestaltungswillen (ACTion) sowie den kollaborativen Ansatz (US), als Studierende gemeinsam mit den Hochschulen und Unternehmen Lösungen für eine bessere Welt zu entwickeln.

Bereits seit 2003 ist Enactus auch in Deutschland vertreten und kann seitdem einen kontinuierlichen Zuwachs an Universitäten, Mitgliedern und Partnern verzeichnen – so sind inzwischen an rund 32 Hochschulstandorten Enactus-Teams aktiv, in denen sich rund 1.900 Studierende engagieren. Studenten können sich für die Aufnahme im Team bewerben, oder auch ein neues Team an einer Universität gründen. Mitwirken kann man dann an bestehenden Projekten, bei der Enactus-Vereinsarbeit selbst, oder indem man gemeinsam eine neue Idee in die Tat umsetzt. Die Projekte der jungen Innovatoren werden von ehemaligen Enactus-Team-Mitgliedern (Alumni), Professoren und Dozenten an den Hochschulen sowie Führungskräften und Experten aus namhaften Unternehmen und Institutionen beratend unterstützt und gefördert. Zum Beispiel finden von Sponsoren veranstaltete und finanzierte Wochenendworkshops zum Teambuilding, Coachings zu Finanzthemen oder Feedbackrunden für die Abschlusspräsentationen bei den Wettbewerben statt. Wenn ein Student die Hochschule verlässt, kann er als Alumni weiterhin im Enactus-Netzwerk mitwirken, jüngere Studenten und Projekte unterstützen und auch selbst von dem Netzwerk profitieren.

«Enactus stellt für mich die einzigartige Möglichkeit dar, universitäres Wissen mit praktischer Anwendung zu kombinieren und in Social Entrepreneurship umzusetzen.» – Julia Beck, ehemaliger Enactus Operations Vorstand

Zu den Partnern, Sponsoren und Förderern von Enactus Germany zählen Konzerne, mittelständische Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen wie KPMG, BASF, Ernst&Young, , Haribo, Franz Haniel & Cie, Villeroy&Boch, Procter & Gamble, Bahlsen, Peek&Cloppenburg, Allianz Global Investors, Deutsche Bildung AG und die GreenTech Awards.

Foto: Enactus München

Glassic bekämpft Plastikmüll in Südostasien. Das Münchner Enactus-Projekt hat im November die Gexsi Impact Challenge gewonnen.

Im Idealfall entsteht aus jedem Enactus Projekt ein selbständiges Unternehmen, das sich finanziell selbst trägt und ausgegründet wird. Anschließend besteht die Möglichkeit, dass das Projekt, beziehungsweise das Unternehmen, durch studentische Enactus-Teams flankierend begleitet wird. So ist beispielweise das Projekt „Blauherz“ vom Enactus Team aus Mannheim in eine Trägerorganisation der Diakonie eingebunden, über deren Werkstätten das nachhaltige Modelabel ihre Ware produziert. Die soziale Reiseplattform „Socialbnb“ wird aktuell vom NRW Wirtschaftsministerium finanziell gefördert und von der Duisburger Impact Factory dabei unterstützt, das passende Modell für eine Ausgründung zu finden.

Gexsi ist seit kurzem offizieller Partner von Enactus Germany. Denn Gexsi’s Anspruch ist, junge, innovative Social Entrepreneurship-Projekte zu unterstützen, die einen Beitrag zu den 17 Global Goals leisten. Ein 1:1 Mission Fit mit Enactus.

Eine gewaltige Welle junger Startup-Gründungen über einen ganzen Kontinent hinweg – Tony Elumelu

Diese Initiative gibt nur in Afrika, dort aber über den gesamten Kontinent verteilt. Die Tony Elumelu Foundation beflügelt die größte Startup-Well auf dem Kontinent. Aufgrund der sehr jungen Bevölkerungsstruktur profitieren hiervon vor allem Jugendliche und junge Menschen, die kaum Zugang zu einem Bankkredit hätten.

Tony Elumelu ist erfolgreicher Unternehmer aus Nigeria, hat mehrere Banken gekauft und umgebaut und dabei ein gewaltiges Vermögen angehäuft. Was er damit macht? Er unterstützt über seine 2010 gegründete Stiftung jedes Jahr 1.000 Startup-Gründer*innen in Afrika mit 10.000 Dollar – über 10 Jahre. Macht 100 Millionen Dollar. Die Unterstützung erfolgt hälftig aus Mentoring-Leistungen und Startup-Kapital in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 5.000 Dollar. 

Das 2014 gestartete TEF – Tony Elumelu Foundation Entrepreneurship Programm dürfte die weltweit größte privat finanzierte Startup-Initiative sein. Tony Elumelu ist seinem Plan sogar voraus. Nach sechs Jahren hat er bereits 9.172 afrikanische Start-ups aus 54 afrikanischen Ländern unterstützt, ausgewählt aus über 300.000 Bewerbungen. Das riesige Interesse an seinem Programm zeigt, dass innovative Ideen von afrikanischen Entrepreneurs nur so sprießen und das Netzwerk riesiges Potenzial hat, noch weiter zu wachsen. Durch Partnerschaften mit afrikanischen Unternehmen gelingt es der Foundation, die Unterstützung für Entrepreneurs sogar noch auszuweiten, etwa über die Vermittlung von Anschlussfinanzierungen. Tony Elumelu erwartet über seine Initiative zusätzliche 10 Milliarden Einnahmen für die afrikanische Wirtschaft und eine Million neue Jobs.

«Wir setzen uns für das Unternehmertum als Schlüssel zur Beschleunigung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas ein» Tony Elumelu, Gründer TEF

Während politische Vorstöße für eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft – gleich ob bei uns oder in Afrika – in der Bürokratie oder im Parteienstreit versacken, zieht Elumelu das mit seinem eigenen Geld finanzierte Projekt unbeirrt durch, auch wenn COVID-19 jetzt doch eine Unterbrechung erzwungen hat. 

Dabei spielen digitale Tools eine zunehmend bedeutende Rolle. Mit TEF Connect, einer digitalen Plattform mit bereits mehr als 800.000 Nutzern, hat Elumelu eine leistungsstarke Vernetzungsplattform für afrikanische Unternehmer gegründet. In einem 12 Wochen Programm mit E-Learning Kursen, Coaching von Mentoren und Meet-Ups werden Gründer in Ihren Unternehmen gestärkt und gegenseitig inspiriert. Ein jährliches Forum bringt die wichtigsten Entscheidungsträger der afrikanischer Wirtschaft sowie globale und afrikanische Entrepreneurs zusammen. 

Elumelu ist überzeugt: Eine Gründer-Welle stärkt nicht nur das Einkommen und die Jobmärkte, sondern leistet einen Beitrag zu vielen weiteren Zielen einer nachhaltigen Entwicklung (SDGs). Startups, die keine gesellschaftlich relevanten Probleme lösen, haben es zunehmend schwer. Wie agil die Startup-Szene in Afrika ist, zeigt ein Blick auf die geförderten Startups. Nicht wenige der geförderten Startups stellen sich den neuen,  durch COVID-19 entstandenen, Herausforderungen.

So zum Beispiel das Unternehmen von Mohammed Akamera in Sierra Leone. Um die Verbreitung des Virus durch das Anfassen von Wasserhähnen zu stoppen, erfand er einen Wasserhahn, der mit dem Fuß schaltbar ist. Der Hahn wird mit lokal verfügbaren und wiederverwertbaren Materialien hergestellt und wird unterstützt durch die Regierung Sierra Leones nun in Gemeinden, Wohnungen, Büros, Geschäftslokalen, Märkten und Schulen eingeführt.

Anmerkung

Dieser Beitrag basiert auf zwei Gexsi Magazinbeiträgen (Die Corona-Krise als Chance für eine grüne und soziale Wirtschaft nutzen? sowie Als Student*in nebenbei die Welt retten?). Wir sind der Ansicht, dass das Thema hoch aktuell ist und einer vertieften Diskussion bedarf.