“Jede einzelne Person, die nach einem Herz-Kreislaufstillstand ein normales Leben führen darf, motiviert uns.” – Interview mit Michael Müller

Region der Lebensretter

Ein Herz-Kreislaufstillstand kann jede:n treffen und die Überlebenschancen sind gering. Der Notfallmediziner Michael Müller hat ein Smartphone-basiertes System erfolgreich gelauncht, das qualifizierte Ersthelfende einbindet.

Seit 2015 leitet Prof. Dr. Michael Müller die Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin am St. Josefskrankenhaus in Freiburg. Auf seinem Weg dorthin hat er sämtliche Bereiche der Notfallmedizin von der Pike auf kennengelernt. Das Thema Wiederbelebung beschäftigt ihn bis heute. Ein Herz-Kreislaufstillstand kann jede:n treffen und die Überlebenschancen sind gering. Zu häufig hat er miterleben müssen, dass professionelle Hilfe bei einem Herzstillstand zu spät kommt, da unmittelbar mit der Herzdruckmassage begonnen werden muss. Sein Ziel: Er will das reanimationsfreie Intervall auf ein Minimum verkürzen, in dem qualifizierte ehrenamtliche Ersthelfende in der Nähe des Unfallortes über eine Smartphone-App alarmiert werden.

 

Welches Problem löst ihr mit Region der Lebensretter? Warum braucht es dafür genau eure Lösung?

70.000 Menschen erleiden in Deutschland jedes Jahr einen Herz-Kreislaufstillstand und nur jeder Zehnte überlebt. Die Überlebensrate könnte mindestens doppelt so hoch sein, wenn vor Eintreffen des Rettungsdienstes mit der Wiederbelebung begonnen wird. Wir betreiben das größte Ersthelfersystem in Deutschland mit dem Ziel, qualifizierte ehrenamtliche Ersthelfende in der Nähe des Notfallortes über unsere Smartphone-App zu alarmieren und die Rettungskette digital zu organisieren.

Was hast du gemacht, bevor du das aktuelle Projekt/Unternehmen gestartet hast?

Ich habe ehrenamtlich beim DRK eine Ausbildung zum Rettungsassistenten absolviert, war lange im Rettungsdienst tätig. Nach dem Medizinstudium habe ich eine Weiterbildung zum Facharzt für Anästhesie absolviert. Ich war unter anderem als Notarzt im Rettungsdienst und in der Luftrettung tätig und habe mich wissenschaftlich viele Jahre mit der Wiederbelebung beschäftigt. Seit 2015 leite ich die Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin am St. Josefskrankenhaus in Freiburg.

Was oder wer hat dich dazu bewegt, Sozialunternehmer:in zu werden?

Bei meinem Engagement für die Wiederbelebung habe ich lernen müssen, dass professionelle Hilfe meistens zu spät kommt, weil mit der Herzdruckmassage nach 3-5 Minuten begonnen werden muss. Inspiriert von einem Projekt in Dänemark wollte ich in Deutschland ein System etablieren, welches qualifizierte Menschen ehrenamtlich in die Rettungskette integriert, damit viele Menschen zusätzlich gerettet werden können.

Welche eurer Erfolge sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Ich kenne viele Menschen, die durch unser System überlebt haben, persönlich. Jeder einzelne, der nach einem Herz-Kreislaufstillstand ein normales Leben führen darf, motiviert uns im Projekt. Und bei der Weiterentwicklung des Systems erleben wir auch ständig tolle Erfolge. Dieses Jahr haben wir beispielsweise einen neuen Alarmierungsalgorithmus entwickelt. In einer Studie haben wir dann herausgefunden, dass unsere Ersthelfenden damit nochmal 1 Minute früher am Einsatzort sind.

Gab es Momente, die besonders herausfordernd waren und was habt ihr daraus gelernt?

Die größte Herausforderung ist aus einer Idee zur Verbesserung des Systems ein Feature zu machen, welches im Praxiseinsatz das gewünschte Ergebnis bringt. Und da erleben wir auch gleichzeitig unglaublich spannende Momente, weil wir in der Zusammenarbeit von notfallmedizinischen Experten, Wissenschaftlern und Programmierern sehr gute Ergebnisse erzielen.

© Michael Müller

„70.000 Menschen erleiden in Deutschland jedes Jahr einen Herz-Kreislaufstillstand und nur jeder Zehnte überlebt. Die Überlebensrate könnte mindestens doppelt so hoch sein, wenn vor Eintreffen des Rettungsdienstes mit der Wiederbelebung begonnen wird.“
— Michael Müller, 1. Vorsitzender von Region der Lebensretter

Wo soll die Reise in Zukunft hingehen und was sind die nächsten großen Ziele?

Wir sind nie fertig, wir möchten nächstes Jahr besser werden als dieses Jahr. Und wir möchten erreichen, dass in ganz Deutschland bei jedem Menschen, der einen Herz-Kreislaufstillstand erleidet, innerhalb von weniger als 5 Minuten qualifizierte Wiederbelebung begonnen wird. Und dass vor Eintreffen des Rettungsdienstes eine Defibrillation erfolgt, damit könnten wir jährlich viele Tausend Menschen zusätzlich retten.

Was hättest du gerne gewusst, bevor ihr euer Projekt/Unternehmen gestartet habt? Welchen Rat würdest du anderen mit auf den Weg geben?

1. Es gibt unheimlich gute IT-Unterstützung für gemeinnützige Projekte. Damit kann man hervorragend in dezentralen Teams mit vielen ehrenamtlich tätigen Helfenden zusammenarbeiten. 2. Man darf sich nie scheuen, Unternehmen um Unterstützung zu bitten. 3. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation kann man lernen.

Welchen Podcast hörst du regelmäßig? Welches Buch ist für dich persönlich ein absolutes Must-read?

Podcasts: Sehr wechselnd, Buch: Dan Ariely: Denken hilft zwar, nützt aber nichts.

Was sind deine Tipps für den Alltag, um Gutes zu tun? Und wo fällt es dir vielleicht eher schwer, nachhaltig zu leben?

Ziele setzen, die machbar sind! Und mir fällt es schwer, bei Regen mit dem Rad zu fahren…

Ergänze diesen Satz: Die Welt braucht (mehr …)

Menschen, die Visionen leben und ihre Ideen umsetzen.

Gibt es etwas, was du unbedingt noch sagen willst?

Ich wünsche uns, dass wir die WIRKLICHEN Probleme auf dieser Welt in den Griff bekommen und dass wir lösungsorientiert arbeiten. Wir können es schaffen.

Wir unterstützten Region der Lebensretter im November 2023 mit den Einnahmen von GOOD. Mehr hierzu erfahrt ihr auf unserer Projektseite: