„Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist, sollte mit diesem auch umgehen können, um damit aktiv und selbstständig zu sein“ – INTERVIEW

© Pascal Lieleg

David Lebuser gründete Sit’N’Skate, um Rollstuhlfahrer:innen Freiheit und Selbstverwirklichung zu ermöglichen. Das Projekt bietet Rollstuhlsport, Training und einen authentischen Skate-Lifestyle, um Stereotype zu durchbrechen und Inklusion zu fördern.

In einer Welt, in der Rollstuhlfahrer:innen oft mit Vorurteilen und Barrieren konfrontiert sind, hat David Lebuser mit Sit’N’Skate eine Bewegung ins Leben gerufen, die den Rollstuhl nicht nur als Hilfsmittel betrachtet, sondern ihn zu einem Instrument der Freiheit und Selbstverwirklichung macht. Sit’N’Skate bietet Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem Rollstuhl zu trainieren und dabei spielerisch den Skate-Lifestyle zu erleben. Im Interview erfahrt ihr mehr über die Hintergründe und inspirierenden Ziele von Sit’N’Skate und wie David und sein Team durch coole Fotos und authentischen Skate-Lifestyle das Narrativ der hilflosen und leidenden Rollstuhlfahrer:innen aufbrechen. Eine spannende Geschichte über Inklusion, Mut und Selbstbestimmung.

 

Welches Problem löst ihr mit SIT’N’SKATE? Warum braucht es dafür genau eure Lösung?

Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist, sollte mit diesem auch umgehen können, um damit aktiv und selbstständig zu sein. Ein Training bekommen aber nur Wenige und das auch oft nicht ausreichend. Im Skatepark können wir spielerisch diese Fähigkeiten vermitteln und nebenbei das Selbstbewusstsein stärken und Spaß an Bewegung und Herausforderungen vermitteln. Ein weiteres Problem ist das Narrativ von hilflosen und leidenden Rollstuhlfahrer:innen, welches wir mit coolen Fotos angehen. Destroying Stereotypes!

Was hast du gemacht, bevor du das aktuelle Projekt/Unternehmen gestartet hast?

Ich war Rehafachberater in einem Kindersanitätshaus. Auch dort habe ich also an der Mobilität von Kindern im Rollstuhl gearbeitet, nur auf der Seite des Versorgers. Heute mache ich das eher als Coach und Vorbild und übe mit den Kids, wie sie den Rollstuhl benutzen.

Was oder wer hat dich dazu bewegt, Sozialunternehmer:in zu werden?

Am Anfang war es nur ein Hobby, dann ein Sport und die erste Motivation war diesen neuen Sport bekannter zu machen. Doch ich habe schnell gemerkt, wie viele positive Nebeneffekte da mitgeschwungen sind. Und so habe ich gemeinsam mit meiner Frau Lisa SIT’N’SKATE gegründet, um eine niedrigschwellige Möglichkeit zu schaffen, mit dem Rollstuhl zu skaten. Alles möglichst authentisch im Skate-Lifestyle mit einer Prise Punkrock.

Welche eurer Erfolge sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

In den letzten drei Jahren konnten wir richtig was erreichen. Das liegt vor allem daran, dass wir uns mit SUPR SPORTS verbunden haben und nun gemeinnützig anerkannt sind. So konnten wir mit entsprechenden Förderungen regelmäßige Angebote in Hamburg, Hannover, Bremen und Dortmund etablieren. Und durch die Regelmäßigkeit können wir nun langfristig mit den Kids arbeiten und sehen, wie sie sich zu selbstbewussten und selbstständigen Jugendlichen und Erwachsenen entwickeln.

Gab es Momente, die besonders herausfordernd waren und was habt ihr daraus gelernt?

Besonders herausfordernd ist immer die finanzielle Situation. Uns war von Anfang an wichtig, dass unsere Angebote möglichst kostenfrei bleiben und wir die benötigten Gelder über Förderungen und Spenden erhalten. Aber nun, wo wir drei fortlaufende Programme anbieten, müssen wir auch regelmäßig die Gelder dafür reinbekommen. Förderungen sind oft nur für neue Projektideen zu haben und somit wird es zunehmend schwieriger, unser laufendes und funktionierendes Angebot am Leben zu halten.

© David Lebuser / Michael Lang

„Die Welt braucht mehr Barrierefreiheit, Teilhabechancen und generell mehr Gerechtigkeit.“
— David Lebuser, Mitgründer von SIT’N’SKATE

Wo soll die Reise in Zukunft hingehen und was sind die nächsten großen Ziele?

Wir wollen die Strukturen professioneller machen und SIT’N’SKATE weiterentwickeln mit der Hoffnung, dass wir auch noch weitere Angebote hier und anderswo starten und langfristig etablieren können. Dafür braucht es aber dann vor allem auch ein größeres hauptamtliches und ehrenamtliches Team, was uns vor neue Herausforderungen stellt, sowohl was die Finanzierung, als auch die Rekrutierung angeht. Gerade arbeiten wir deswegen an Schulungen und ähnlichen Ideen zur Verbreitung unserer Idee.

Was hättest du gerne gewusst, bevor ihr euer Projekt/Unternehmen gestartet habt? Welchen Rat würdest du anderen mit auf den Weg geben?

Wir sind sehr pragmatisch und manchmal etwas schnell beim “einfach machen”. Das war am Anfang auch gut und treibt uns auch heute noch an, Dinge zu starten, die andere sich nicht vorstellen können oder sich nicht trauen. Doch ist man oft im Nachhinein schlauer und die ein oder andere Idee erstmal weiterzuentwickeln und mit langfristigen Fördermöglichkeiten abzugleichen, hätte uns vielleicht ein paar der heutigen Schwierigkeiten nehmen können. Ansonsten sage ich aber nach wie vor: Macht es einfach!

Welchen Podcast hörst du regelmäßig? Welches Buch ist für dich persönlich ein absolutes Must-read?

Ich bin eher der Musiktyp und bei mir läuft Punkrock in verschiedenen Epochen und Facetten. Einen regelmäßigen Podcast habe ich nicht, aber ich höre beim Autofahren gern bei Die Neue Norm, Hobbyquerschnitt oder Raul Krauthausen rein. Ich höre mir gern an, was an anderer Stelle bei engagierten behinderten Menschen abgeht, welche Themen gerade wichtig sind und ich mir so auch wichtige Informationen holen kann für eigene Projekte.

Was sind deine Tipps für den Alltag, um Gutes zu tun? Und wo fällt es dir vielleicht eher schwer, nachhaltig zu leben?

Im Zweifel ist weniger manchmal mehr. Es muss nicht immer das große Event sein, sondern ein kleines Angebot oder ein einfacher Kurs kann einen echten Mehrwert machen. Natürlich muss man nicht dringend selbst was starten, man kann sich auch ehrenamtlich engagieren. Ich versuche in Sachen Klima, LGBTQ Rights, Antirassismus und Co ein Verbündeter zu sein. Dennoch fällt es mir schwer, mich immer informiert zu halten und im Alltag immer nachhaltig zu leben. Ich denke, man muss einfach weiter an sich arbeiten.

Welche Organisation bzw. welches Start-up beeindruckt dich besonders und ist für dich ein wahres Vorbild?

Ich kenne viele gute Social Skateboard Projekte, vor allem Dank Goodpush, einem Projekt von Skateistan. Die machen eine tolle Arbeit, um diese Skateprojekte zu vernetzen und mit Wissen auszustatten. Aber auch kleine Projekte, wie z. B. Rollstuhlerlebnisreisen find ich super. Denn wie gesagt: mir sind viele kleine Projekte lieber als nur wenige große.

Ergänze diesen Satz: Die Welt braucht mehr …

… weniger. Höher, schneller, weiter, immer mehr… Ich glaube, diese Herangehensweise treibt unsere Welt in den Ruin. Aber nun nochmal die Frage richtig beantwortet: Die Welt braucht mehr Barrierefreiheit, Teilhabechancen und generell mehr Gerechtigkeit.

 

Gibt es etwas, was du unbedingt noch sagen willst?

Gern lade ich ein, unsere Arbeit mal live anzuschauen und bei einem unserer regelmäßigen Rollstuhl-Skate-Treffen oder anderen Veranstaltungen vorbeizuschauen.

 

Wir unterstützten SIT’N’SKATE im Juli 2023 mit den Einnahmen von GOOD. Mehr hierzu erfahrt ihr auf unserer Projektseite: