Diese drei jungen Modelabels gehen ganz neue Wege im Hinblick auf Nachhaltigkeit
Ökobaumwolle und Sozialstandards sind nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten, die Textilbranche nachhaltig zu machen. Diese Modelabels haben neue, inspirierende Wege gefunden, stylische Mode herzustellen, die die Lebensbedingungen von Menschen substanziell verbessert.
Diese Modelabels machen den Textilsektor fair und nachhaltig!
Wir stellen heute drei noch weitgehend unbekannte Modelabels vor, die wir jeweils persönlich kennenlernen konnten: Pompei hat den Publikumspreis unserer Impact Challenge im Juli gewonnen. Die Labels eyd – humanitarian clothing sowie Blauherz stehen auf unser Shortlist von Initiativen, die wir in der Zukunft unterstützen möchten. Denn sie gehen radikal neue Wege, um den Textilsektor fair und nachhaltig für alle zu machen.
Bei Pompei besteht jedes T-Shirt aus 10 recycelten Plastikflaschen!
Pompei – der Gexsi Publikumspreis
Pompei ist ein junges, authentisches Modelabel aus Norddeutschland. Das von Justin und Julian aus Hamburg gegründete Unternehmen ist dieses Jahr gestartet, ist bislang noch als einfache GbR firmiert und ist ohne externen Investoren finanziert. Das ganze sehr erfolgreich: Die erste Kollektion hat das Startup nahezu komplett verkauft, das ganze würde, so Justin, sich bereits finanziell tragen. Mit seiner ersten Kollektion von Shirts hat sich Pompei vor allem an Sportler gerichtet. Mit der neuen Kollektion spricht Pompei bewusst eine breitere Zielgruppe von Menschen an, die ihre Begeisterung für schlchte, nachhaltige Mode teilen. Pompei kooperiert mit dem indischen Unternehmen Waymore und stellt seine Shirts teils aus Stoff her, der aus recycelten Plastikflaschen hergestellt wird.
Was uns besonders gut gefällt: Pompei kann die Lieferkette zurückverfolgen bis zu den Fischern, die an der Südküste Indiens den Plastikmüll aus dem Meer ziehen und so einen dringend benötigten Zusatzverdienst erwirtschaften. Das lädt die Shirt nochmals emotional positiv auf. Justin und Julian möchten Nachhaltigkeit als Mainstream etablieren. Ihr Ziel ist, eine coole Marke zu schaffen, die für schlicht nachhaltige Textilien steht, die sich Menschen auch leisten können. Aufgrund ihrer schlanken Firmenstruktur sollten die Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden und zugleich spürbar zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen und der Umwelt in den Erzeugerländern beizutragen.
Wir waren neugierig, wie der Name Pompei zustande kam. Justin erklärt es so: Die Welt komme ihnen heute vor wie zur Hochphase des römischen Imperiums, so Justin. Man lebte in saus und braus und hielt sich für unbezwingbar. Mit dem Ausbruch des Vesuvs wurde dann die Stadt Pompei auf einen Schlag verwüstet. Die Natur ist eben stärker als der Mensch.
eyd ermöglicht es Frauen mit schwierigen Vergangenheiten, den Beruf der Näherin zu erlernen und sogar den Schulunterricht nachzuholen.
eyd – humanitarian clothing
Das Modelabel eyd trägt – etwas versteckt – seine Botschaft bereits im Namen. Es lässt sich nämlich ausgesprechen wie “Aid” und steht somit für Hilfe. Das dahinter stehende Startup heisst “Humanitarian Clothing GmbH”. Zu Recht: Das Label hat einen enormen Tiefgang und ist ein Baustein eines größeren Ganzen. eyd lässt seine Kollektion von dem Sozialunternehmen der Chaiim Stiftung in Indien herstellen. Diese hat sich zur Aufgabe gemacht, Mädchen, die aus der Zwangsprostitution befreit wurden, zu helfen, wieder Fuß zu fassen und einen Weg zurück in die Normalität zu finden. Die angegliederte Näherei gehört hierzu. Chaiim selbst arbeitet mit der globalen Non-Profit Organisation International Justice Mission (IJM) zusammen, die sich weltweit für den Kampf gegen Sklaverei und Zwangsprostition einsetzt. In Deutschland ist eyd eng verbunden mit dem gemeinnützigen Verein “Made for Humanity”, der über Spenden an die indische Partnerorganisation den sozialen Hebel nochmals vergrößert. Die Produktionskosten liegen deutlich über denen konventioneller Nähereien, da die Produktivität und das Volumen der Produktion unter denen der großen Textilmanufakturen liegt. Das Potenzial zu wachsen ist jedoch da. Denn immer mehr Menschen nutzen ihre Kaufentscheidungen, um ein Zeichen zu setzen, hier für Menschlichkeit und Solidarität. Diese Werte sind auch der Antrieb für Werner und Friedgund Armingeon, sich für eyd zu engagieren. Die beiden haben das Startup sowie den gemeinnützigen Verein als Teil ihres privaten Engagements für eine bessere Welt maßgeblich mitfinanziert haben. “Für uns ist das Investment erfolgreich, wenn wir hiermit mehr erreichen als wenn wir das Geld der Stiftung in Indien direkt gespendet hätten”, argumentiert Werner Armingeon – eine soziale Sichtweise, die unter Investoren seinesgleichen sucht.
BLAUHERZ. will einen Beitrag dazu leisten, dass Kleidung für Menschen mit Handicap eine inklusive und keine ausgrenzende Wirkung entfaltet.
Blauherz – style without borders
Das Modelabel Blauherz aus Weilheim bei Mannheim verkauft unter anderem stylische T-Shirts sowie kleine Rucksacktaschen, die in der eigenen Näherei direkt vor Ort durch Flüchtlinge und Menschen mit Handicaps hergestellt werden. Das gemeinnützige Sozialunternehmen bietet zudem Firmen an, ihre Produkte als Merchandise-Artikel direkt nach Kundenwunsch herzustellen. Durch die Herstellung vor Ort sind die Abstimmungsschleifen entsprechend kurz. Blauherz verwendet ausschließlich zertifizierte Ökostoffe oder Upcycling-Materialien. Die über den Online-Shop vermarkteten Produkte spiegeln nur einen Teil der Produktpalette von Blauherz wider. Die eigentliche Mission ist, Mode für Menschen herzustellen, die an den Rollstuhl gebunden sind. Diese soll nicht nur ansprechend sein, sondern den speziellen – individuell unterschiedlichen – Anforderungen an Tragekomfort und Funktionalität gerecht werden. Der Markt ist zu klein, als dass konventionelle Anbieter ihre Produkte auf diese Zielgruppe zuschneiden. Blauherz steht somit ganz im Zeichen der Inklusion. Dies unterstreicht auch der Claim “Style without borders”.
Innovativ ist auch die Struktur des Unternehmens. Das preisgekrönte Startup wird als eine Kooperation zwischen dem Pilgerhaus Weinheim, einer Einrichtung der evangelischen Jugend- und Behindertenhilfe, die seit 1850 Menschen in differenzierten Wohn- und Lebensformen begleitet, und der studentischen Startup & Nachhaltigkeits-Initiative Enactus aus Mannheim geführt. Die Näherei und den rechtlichen Rahmen stellt das Pilgerhaus, die Studenten unterstützen mit ihren Ressourcen bei der Weiterentwicklung der Marke, dem Design, der Kommunikation oder der Geschäftsstrategie.
Noch viel Potenzial im Modesektor
Die drei vorgestellten Modelabels machen deutlich, wie vielfältig die Anknüpfungspunkte sein können, den Textilsektor zu transformieren. Pompei zeigt, dass es möglich ist, als junger Mensch ein nachhaltiges Modelabel selbst erfolgreich auf die Beine zu stellen. Und dies, obwohl es bereits eine Vielzahl weitere kleiner Labels gibt, von denen etliche sich im Bereich grüner Mode positioniert und über Jahre ihre Reputation aufgebaut haben. Dies gilt z.B. für das vegane Modelabel bleed aus Oberfranken, das uns beeindruckt. Das Unternehmen investiert aus Überzeugung kaum Geld in Marketing, weil es das Geld bei den Mitarbeiter*innen sowie in der Entwicklung ihrer Produkte besser aufgehoben sieht. Entsprechend konsequent und authentisch ist denn auch die Produktlinie.
eyd und Blauherz sind Pioniere für soziale Geschäftsmodelle, die im Kern gezielt eine gesellschaftliche Herausforderung lösen wollen; die Textilproduktion wird geschickt als Mittel zum Zweck eingesetzt. Beide Startups sind zumindest in der Anfangsphase, solange die Umsätze noch überschaubar sind, Investoren, die ihren Erfolg ebenfalls weniger an der finanziellen Rendite als am erzielten gesellschaftlichen Mehrwert messen und somit die gleiche Perspektive anlegen wie die Sozialunternehmen, in die sie investieren.
Wenn ihr weitere Modelabels kennt, die ganz eigene Wege gehen, um Nachhaltigkeit zu erzielen, schickt uns eine Email: andreas@good-search.org