Der National Cup für eine bessere Welt
Das Team der Universität Mannheim hat soeben den Enactus National Cup gewonnen und wird Deutschland im Herbst beim World Cup vertreten. Sie sind Teil eines Netzwerks von über 70.000 Studierenden weltweit, die innovative Geschäftsideen für eine bessere Welt entwickeln. Bemerkenswert: Die Hälfte der deutschen Finalisten hatten Bildungsthemen adressiert.
Sich sportlich messen geht nicht nur im Fußball. Das Social Entrepreneurship-Netzwerk Enactus betreut an 1.800 Hochschulen weltweit Teams, die Geschäftsmodelle entwickeln, die ganz konkret einen Beitrag zu den 17 UN Nachhaltigkeitszielen (SDGs) leisten. Ein zentrales Element sind die jährlichen Meisterschaften, in denen der “National Champion” gekürt wird, der das jeweilige Land auf dem Enactus World Cup vertreten darf.
Eine Meisterschaft für Geschäftsideen, die die Welt positiv verändern
Über Enactus lernen Studierende nicht nur, Geschäftsmodelle im Team mit anderen zu entwickeln. Die Teams setzen sie auch direkt um. Immer wieder werden zum einzelne Enactus Hochschulprojekte als eigenständige Startups später ausgegründet. Das Entscheidende dabei: Es geht nicht darum, die besten Startups der Welt zu gründen, sondern um die besten Startups für die Welt. Gesucht sind Geschäftsmodelle, die mit ganz konkreten Schritten vor Ort unsere globalen Herausforderungen lösen.
Am Freitag fand das große Finale der National Cup Week 2021 live aus dem Studio der Mediengruppe RTL Deutschland statt, wo acht Finalteams von fünf Enactus Hochschulgruppen Live-Pitches ablegten und ihre Lösungen für die Zukunft präsentierten. Das Team von Moufense von Enactus Mannheim e.V. konnte die Jury für sich gewinnen und wird im Oktober 2021 Deutschland im Enactus World Cup vertreten (#RoadToEWC).
Letztes Jahr gewann die Al-Azhar Universität in Kairo mit ihrem Projekt Chito-Shrimp die Enactus Weltmeisterschaft. Das studentische Startup bereitet die Schalen von Shrimps, die in großen Mengen ungenutzt anfallen, zu Gewürzen, Dünger und sogar persönliche Schutzausrüstung auf. Chito-Shrimp schafft damit Einkommen für Menschen unterhalb der Armutsgrenze.
Erste Platz: Moufense – Ein Malariaschutzmittel, das sich alle Menschen leisten können sollen
Moufense richtet sich – wie Chito Shrimp – ebenfalls an “base-of-the-pyramid” Märkte, das heisst an Menschen, die am unteren Ende der Einkommenspyramide leben. Moufense ist eine 2-in-1 Body Lotion, die einen Malariaschutz beinhaltet. Auf Basis von umfangreichen Marktstudien in Togo in Westafrika hatte das Team von Moufense herausgefunden, dass die Bevölkerung vor Ort kein Geld für Malariaschutz ausgibt, Body Lotionen jedoch in allen Einkommensschichten gekauft und genutzt werden. Über eine Open-Source Ansatz kann Moufense die Lotion kostengünstig vor Ort herstellen, allein der medizinische Anti-Malaria Wirkstoff wird importiert. Mit der Kopeme Group, die unter anderem Mikrofinanz-Kund:innen in vielen Dörfern Togos betreut, hat Moufense zudem einen ersten, starken Vertriebspartner für das Pilotvorhaben gewonnen. Siehe hierzu auch unseren Gexsi Magazin-Beitrag zu Moufense
Wir bei Gexsi sind große Fans von Moufense. Das Projekt hatte bei der Gexsi Impact Challenge gemeinsam mit SensAbility – WHU Impact Summit im Sommer letzten Jahres den Runner-up Award und im November bei der Gexsi Impact Challenge in Kooperation mit dem Enactus Startup Accelerator Pitch den zweiten Preis gewonnen. Dies wird mit dem National Championship Award jetzt nochmals getoppt
Hier könnt ihr das National Cup Finale in ganzer Länge anschauen:
Zweiter Platz – das nachhaltige Modelabel Asante Sanaa aus Bayreuth
Asante Sanaa ist ein nachhaltiges Modelabel, das die Kunstszene in Tansania unterstützt. Alles begann mit einer Idee und einem Schicksal. Selemani, ein Straßenkünstler aus Bagamoyo, musste mit Beginn der Corona-Pandemie sein Handwerk aufgeben und stattdessen Tomaten auf dem Markt verkaufen. Von ihm erfuhr eine Bayreuther Studentin, die den Künstler während ihres Freiwilligendienstes in Tansania kennengelernt hatte. Schnell zeichnete sich ab, dass es nicht am Talent mangelte, sondern dass mit dem Einbruch des Tourismus die Haupteinnahmequelle für Künstler:innen entfiel.
Tansania hat eine außerordentlich begabte Künstlerszene, die jedoch außerhalb des Tourismussektors keinerlei Beachtung findet. Asante Sanaa möchte dies ändern. Das von den Studierenden aus Bayreuth gegründete Modelabel produziert nachhaltige Modeartikel als faire, ökologische Streetwear für jederman. Mit bedruckten T-Shirts schaffen Asante Sanaa die erste Tanzanian Streetart Ausstellung, die über unsere Straßen wandert. So können viele Menschen die beeindruckende Kunst aus Afrika bewundern und dabei eine kulturelle Verbindung schaffen, die – auch in Krisenzeiten – ein Zeichen für Zusammenhalt und Solidarität setzt.
Vier der acht Finalisten sind Bildungsinitiativen
Es ist nicht einfach, Social Entrepreneurship-Modelle im Bildungssektor zu entwickeln, zumindest wenn diese sich finanziell selbst tragen sollen. Umso erfreulicher ist es, dass gleich vier der acht Finalistenteams sich mit Bildungsfragen befassen. Hier alle vier im Überblick:
Techdalo, Enactus München e.V.
Die Münchner Hochschulen waren gleich mit zwei Bildungsinitiativen am Start. Techdalo ist eine Partnerschaft mit dem Botoà Institute of Technology in Kolumbien. Die Idee: Über die Vergabe von Stipendien, die später einkommensabhängig zurückgezahlt werden, Kindern aus einkommensschwachen Familien ein Studium ermöglichen. Also ein ähnliches Modell, wie es beispielsweise die Genossenschaft Chancen e.V. in Deutschland betreibt. Techdalo geht über die reine Stipendienvergabe hinaus: Die Studierenden bekommen einen Mentor an die Seite gestellt und über das Enactus Netzwerk sollen für den Berufseinstieg Kontakte zu Firmen hergestellt werden. Mit dem Fokus auf IT setzt Techdalo auf eine Branche mit einem sich positiv entwickelnden Arbeitsmarkt.
One Planet Game, Enactus Münster e.V.
Das Team aus Münster möchte Lehrer- und Schüler:innen dabei helfen, auf spielerische Art sich mit der Frage umweltbewusster Kaufentscheidungen zu befassen, ob beim Einkauf von Lebensmitteln, der Wahl des Transportmittels oder auch bei größeren Entscheidungen wie der Frage nach dem nächsten Urlaubsziel. Hierzu haben die Studierenden für den Schulunterricht das Kartenspiel One Planet Game entwickelt. Die 70 Spielkarten decken verschiedene Konsumentscheidungen ab: Vom täglichen Fleischverzehr über den Kauf einer neuen Jeans, bis hin zum Langstreckenflug in den Urlaub. Bei One Planet Game geht es darum, den ökologischen Fußabdruck der Karten der Mitspieler möglichst gut einschätzen zu können. Nur wer ein gutes Gefühl für den Fußabdruck aller Karten entwickelt, gewinnt.
Hergestellt und verschickt werden die Spiele von der Münsteraner Behindertenwerkstatt Westfalenfleiß: https://oneplanetgame.org
Kleb dich grün, Enactus Braunschweig e.V.
Die Idee von Kleb dich grün ist erstaunlich simpel. Unterstützt mit dem Know How der TU Braunschweig designen die Studierenden einprägsame Aufkleber, die für die Einsparung von Ressourcen werben – etwa sparsamer mit Einweg-Papierhandtüchern umzugehen. Die Botschaft ist, dass jeder einzelne mit ganz kleinen Dingen im Alltag einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann. Entsprechend lautet der Claim: start small – create change. Es geht also um Umweltbildung, die über einen Kampagnen-Ansatz gefördert wird.
EduGlobe, Enactus München e.V.
EduGlobe ist ein Schul- bzw. Bildungs-Startup, das mit seinem ganzzeitlichen Angebot Schüler:innen und ihre Familien in Uganda stärken möchte. Die Idee: Über die Vermittlung von unternehmerischen Fähigkeiten werden Schüler dazu befähigt, schon während der Schulzeit erste Einnahmen zu erzielen. Dese werden dringend benötigt, um Schulgebühren zu zahlen, sich sich selbst zu finanzieren und im Idealfall die Familie finanziell zu unterstützen. Die Geschäftsmodelle sind in der Regel einfach gehalten. Seife oder kleineren Snacks sind typische Produkte, die die Schüler:innen herstellen und vermarkten. Letzten September hat EduGlobe ein erstes Stück Land gekauft, um gemeinsam mit den Schülern Nahrungsmittel anbauen zu können.
Vielleicht das ungewöhnlichste Enactus Startup: Dämmstoffe und Verpackungsmaterialien von MushRoom aus Braunschweig
Wer das Projekt des Enactus Braunschweig e.V. verstehen möchte, muss auf die Schreibweise achten: MushRoom. Es geht nicht einfach nur um den Pilz (Mushroom), sondern um deren Einsatz unter anderem in Räumen. Wer jetzt an Schimmelpilze denkt, liegt grundlegend falsch. Es geht um Pilze als innovative „Baustoffproduzenten“: Die Studierenden der TU Braunschweig haben eine Technologie entwickelt, wie mit Hilfe von speziell gezüchteten Pilzen nachhaltige Dämmstoffe hergestellt werden können. Diese wird aktuell mit dem Makerspace Protohaus pilotiert
Pilze sind hervorragende Reststoffverwerter und freuen sich über haushaltsübliche Abfälle wie Papier, Pappe oder Kaffeesatz! Dabei eignen sie sich nicht nur zum Verzehr. Ihr Myzel, ein unterirdisches “Wurzelwerk”, durchwächst ein Substrat rasend schnell und produziert dadurch ein kompaktes, festes Material. Durch Hitze kann dieses getrocknet und der Pilz abgetötet werden, sodass am Ende ein wasserabweisender und gut isolierender Werkstoff entsteht. Der Clou dabei ist, dass dieses Material nur aus natürlichen Reststoffen besteht und damit vollständig abbaubar ist – der perfekte Ersatz für Dämmstoffe oder Verpackungsmaterial aus Styropor.
Last not least: Die initiative NuTree aus Münster bekämpft Mangelernährung in Ghana
NuTree hat sich zum Ziel gesetzt eine Farm in Ghana aufzubauen, die das Nahrungsangebot in der Region erweitert und den Menschen eine nachhaltige Einkommensquelle ermöglicht. Eine wichtige Rolle spielt dabei der trockenresistente Baum Moringa Oleifeira, dessen Blätter eine Vielfalt an Aminosäuren, Vitaminen und Mineralstoffen enthält und als Nahrungsmittelerängzung einen signifikanten Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung leisten kann.
Das Team von Enactus Münster e.V. hat mit dem Regentropfen College of Applied Sciences im Norden Ghanas einen starken Partner gefunden. Durch die Zusammenarbeit von NuTree mit dem College wird also nicht nur ein professioneller Anbau sichergestellt, sondern auch eine Plattform geschaffen, um Menschen als selbstständige Moringabauern auszubilden. Die Farm umfasst bisher über 1400 Bäume auf einer Fläche direkt neben dem College. In Zukunft ist geplant, das Projekt noch auf ein zusätzliches Gebiet auszuweiten.