“Es ist sehr einfach, aber Geben ist so viel lohnender als Nehmen” – Interview mit Bart Nijsink
Bart Nijsink zeigt in unserem Interview auf, wie es zu der ungewöhnlichen Idee der Sheltersuits kam und wie Menschen seiner Meinung nach mit Obdachlosen umgehen sollten.
Bas Timmer war schon immer vom Nähen begeistert. Mit 16 Jahren wandelte er sein Schlafzimmer in eine Nähwerkstatt um und nähte seine eigene Kleidung. Ein von ihm entworfener Kapuzenpullover mit integriertem Schal wurde in seiner Heimat populär, während er noch die Modeakademie besuchte. Kurz darauf gründete er seine eigene Outdoor-Modelinie für kaltes Wetter. Während eines Modepraktikums in Kopenhagen fiel ihm die hohe Anzahl von Obdachlosen auf. Bas dachte daran, seine warmen Hoodies zu verschenken. Seine Mutter äußerte jedoch Bedenken, dass dies den Verkauf seiner Produkte beeinträchtigen könnte. Die Idee ruhte bis zu einem einschneidenden Erlebnis zwei Jahre später. Da starb der Vater eines Freundes auf der Straße an Unterkühlung, weil eine Notunterkunft geschlossen hatte. Für Bas war jetzt klar, dass er handeln musste. Es fühlte sich für ihn einfach nicht richtig an, modische Kleidung zu hohen Preisen zu verkaufen, während viele Menschen sich nicht einmal warme Kleidung leisten konnten. Seitdem setzt er sich mit Co-Gründer Bart Bart Nijsink erfolgreich dafür ein, das hochgesteckte Ziel „alle Obdachlosen auf der Welt warm zu halten“ zu erreichen. Lest, was Bart alles zu sagen hat!
Welches Problem löst ihr mit Sheltersuit? Warum braucht es dafür genau eure Lösung?
Die Sheltersuit Foundation stellt einen Anzug her, der aus einer Jacke mit einem abnehmbaren Schlafsack besteht, und der speziell für Obdachlose entwickelt wurde. Der Sheltersuit gibt dem Obdachlosen direkte Wärme, Schutz und Würde und schlägt eine Brücke zwischen Sozialarbeiter:in und Helfer:in und der Person, die von Obdachlosigkeit betroffen ist. Die Sheltersuits werden in unserer eigenen Sozialfabrik hergestellt und sind ein vollständig upgecyceltes Produkt, bei dem Textilabfälle aus der Outdoor-, Berufsbekleidungs- und Modeindustrie verwendet werden.
Was hast du gemacht, bevor du das aktuelle Projekt/Unternehmen gestartet hast?
Interims-Sales Manager/Verkaufsberater für ein Textilrecycling-Unternehmen.
Was oder wer hat dich dazu bewegt, Sozialunternehmer:in zu werden?
Ich war 54, als ich zur Sheltersuit Foundation kam. Ich wollte der Welt etwas zurückgeben, für eine Organisation, die wirklich etwas bewirkt. Jetzt kann ich mein Wissen, mein Netzwerk und meine Erfahrung für eine gute Sache einsetzen.
Welche eurer Erfolge sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Dass wir es geschafft haben, einige langfristige Partnerschaften einzugehen, die der Stiftung Stabilität verleihen.
Gab es Momente, die besonders herausfordernd waren und was habt ihr daraus gelernt?
Das Einsatzgebiet der Sheltersuits ist vielseitig und gerade auch bei Kriegsflüchtlingen und Naturkatastrophen gefragt. Nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien, haben wir 24 Stunden pausenlos gearbeitet. Wir wissen jetzt, was zu tun ist, sollte eine ähnliche Situation wieder eintreten. Wir handeln zuerst und bitten dann um Spenden, denn die Spender:innen wollen sehen, was mit ihrem Geld geschieht. Das ist uns gelungen, aber beim nächsten Mal wird es noch besser.
© Bart Nijsink | Sheltersuit
„Ich wollte der Welt etwas zurückgeben, für eine Organisation, die wirklich etwas bewirkt. Jetzt kann ich mein Wissen, mein Netzwerk und meine Erfahrung für eine gute Sache einsetzen.“
— Bart Nijsink, Fundraising & Partnerschaften bei Sheltersuit
Wo soll die Reise in Zukunft hingehen und was sind die nächsten großen Ziele?
Obdachlosigkeit ist ein weltweites Problem, daher wollen wir mit Sheltersuit Franchise Büros überall auf der Welt eröffnen. So können wir vor Ort mehr Sheltersuits produzieren, mehr Arbeitsplätze für Menschen mit einer Distanz zur Arbeitswelt schaffen und mehr Stoffe zu einem wirkungsvollen Produkt upcyceln. Letztendlich können wir so mehr Menschen helfen. Zurzeit haben wir Franchises in Kapstadt, Südafrika, Großbritannien und ein Büro in den USA.
Was hättest du gerne gewusst, bevor ihr euer Projekt/Unternehmen gestartet habt? Welchen Rat würdest du anderen mit auf den Weg geben?
Bas Timmer gründete die Sheltersuit Foundation, als er erst 24 Jahre alt war. Ohne jegliche NGO-Erfahrung. Mit dem heutigen Wissen hätten wir uns darauf konzentriert, erfahrene Mitarbeiter:innen für die Sheltersuit Foundation zu gewinnen. Heute arbeiten in den Niederlanden 25 Personen in unserer Sozialfabrik. In der Stiftung weitere 9 Personen. . Wir werden 2024 mehr als 10.000 Sheltersuits herstellen und diese im kommenden Winter verteilen. Das ist eine große Leistung.
Welchen Podcast hörst du regelmäßig? Welches Buch ist für dich persönlich ein absolutes Must-read?
Ich lese den De Correspondent Newsletter post@decorrespondent.nl, eine Mischung aus Zeitung und Podcast in einem. Da werden verschiedene Themen besprochen und auf objektive Weise über weltweite und lokale Probleme geschrieben. Ein lesenswertes Buch zum Thema Obdachlosigkeit: Gutter to Glory von Kerri Douglas.
Was sind deine Tipps für den Alltag, um Gutes zu tun? Und wo fällt es dir vielleicht eher schwer, nachhaltig zu leben?
Es ist sehr einfach, aber Geben ist so viel lohnender als Nehmen. Wenn man also etwas für andere Menschen tut, wird das einen glücklich machen. Ich finde es manchmal schwierig, nachhaltig zu leben, weil ich persönlich nur kleine Dinge tun kann, während die größeren Probleme, deren Lösungen so viel mehr bewirken könnten, weitergehen.
Welche Organisation bzw. welches Start-up beeindruckt dich besonders und ist für dich ein wahres Vorbild?
Ich finde jedes Start-up, das heutzutage Gutes für die Menschen und/oder die Welt tun will, großartig. Ich war im September 2023 auf der DLD (Digital, Life, Design) in München und habe dort von vielen tollen und neuen Initiativen gehört, das hat mich sehr gefreut. Wir arbeiten mit vielen Obdachlosen-Organisationen zusammen, und sie alle leisten sehr edle Arbeit, die von vielen Menschen nicht wahrgenommen wird.
Ergänze diesen Satz: Die Welt braucht mehr …
… Liebe und Verständnis.
Gibt es etwas, was du unbedingt noch sagen willst?
Ja, bitte sehen Sie einen Obdachlosen nicht als Verlierer:in an. Das kann jedem von uns passieren. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie offensichtlich ein Problem haben und jeder an Ihnen vorbeigeht, als ob Sie unsichtbar wären? Grüßen Sie sie, sagen Sie guten Morgen, guten Nachmittag oder guten Abend. Wenn Sie Zeit haben, unterhalten Sie sich mit ihnen, fragen Sie sie, ob Sie ihnen etwas bringen können, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben. Kleine Dinge werden ihnen die Gewissheit geben, dass sie in dieser Welt nicht allein sind. Danke!
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Andreas Renner, Co-Founder GOOD: andreas@good-search.org
Wir unterstützten Sheltersuit im Februar 2024. Mehr hierzu erfahrt ihr auf unserer Projektseite: