17 Ziele: Wie österreichische Sozialunternehmen Kinder und Jugendliche stärken

© Alexis Brown / Unsplash

Social Entrepreneure sind Erfinder, die sich gesellschaftlichen Herausforderungen annehmen. Wir stellen hier sieben innovative Ansätze aus Österreich vor, die Bildungschancen stärken und Kinder und Jugendliche in herausfordernden Lebenslagen begleiten. 

Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Was kann die Gesellschaft tun, damit sie möglichst behütet aufwachsen, gleiche Bildungschancen haben, sich in der zunehmend komplexen Welt zurechtfinden, Krisen bewältigen lernen und die vielen Zukunftschancen, die die Welt bietet, nutzen können? Wir stellen in diesem Blog Beitrag acht Sozialunternehmen aus Österreich vor, die sich auf ganz unterschiedliche Weise diesen Herausforderungen widmen und dabei teils ganz neue, innovative Ansätze entwickelt haben.

Three Coins – nachhaltige Umgang mit Geld als Lebenskompetenz

Sich frei und selbstbestimmt durchs Leben bewegen, ganz ohne Geldsorgen. Dies ist die Vision von Three Coins. Das Sozialunternehmen aus Wien entwickelt Finanzbildungsprojekte insbesondere für Kinder und Jugendliche, damit diese einen sicheren Umgang mit Geld lernen. HIerzu zählen Fähigkeiten wie

  • das eigene Budget im Griff zu haben
  • sich finanzielle Ziele zu setzen und diese zu erreichen
  • auf Unerwartetes vorbereitet zu sein
  • fürs Alter voraus zu planen
  • ein reflektiertes Konsumverhalten aufzuweisen
  • externe Einflüsse auf das eigene Verhalten zu erkennen

Three Coins arbeitet mit Eltern, mit Schulen oder auch Unternehmen und entwickelt eine Vielzahl an neuen Formaten, mit der “Schotterbande” jüngst ein Brettspiel für Familien, das den Umgang mit Geld spielerisch schult. 

«Es geht um den Menschen als Individuum, seine Werte, Vorstellungen, Ängste und Wünsche. Und es geht darum, als Pilot*in seines Geldlebens das eigene Verhalten positiv zu verändern.» – Three Coins

 

Sindbad – 1:1 Mentoring für Jugendliche

Sindbad ist ein 2016 gegründetes Sozialunternehmen, das junge Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten miteinander in Verbindung bringt. Das ganze ist eine Win-Win Situation: Die Mentor*innen bauen Leadership-Skills aus und die Mentees profitieren von einer geschulten und reflektierten Begleitung. Sindbad richtet sich an 13- bis 15-jährige Schüler*innen, die am Übergang von der 9. Schulstufe in den Lehrberuf oder eine weiterführende Schule stehen. Die Mentoren sind selbst Studierende und junge Berufstätige, die jeweils für 12 Monate zur Seite stehen. Mit seinem Ansatz ist Sindbad

  • Chancengeber für Schüler*innen in Neuen Mittelschulen
  • Schmiermittel zwischen Schule und Lehre für Lehrbetriebe
  • Plattform für Persönlichkeits-Training und soziale Verantwortung.

Bei Sindbad steht die menschliche  Beziehungen im Mittelpunkt: Zuhören, interessiert sein, lernen wollen, Stütze sein werden als die wesentlichsten Faktoren in der Entwicklung eines Menschen gesehen. Sindbad ist aktuell an 5 Standorten in Österreich vertreten, mit Salzburg und Vorarlberg werden dieses Jahr zwei weitere hinzukommen.

 

Bei Sindbad bekommen Schüler*innen einen persönlichen Mentor
um gemeinsam konkrete Schritte im Ausbildungsweg zu setzen.

«Unsere Vision ist eine Gesellschaft, in der junge Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen können.» – Sindbad

 

Teach for Austria – Weil Bildung kein Privileg sein sollte

Teach for Austria hat ein Fellowship-Programm entwickelt, das talentierte Hochschulabsolvent*innen und Young Professionals aller Fachrichtungen einen Perspektivenwechsel ermöglicht. Gemeinsam mit Pädagog*innen, Eltern und den Bildungsinstitutionen vor Ort arbeiten die Fellows in Vollzeit als vollwertige Lehrkräfte oder Kindergartenpädagog*innen und setzen sich dafür ein, dass alle Kinder erfolgreiche Bildungswege gehen können. Sie werden hierfür durch Teach for Austria ausgebildet und im Rahmen eines Leadership-Programms aktiv begleitet.

Die Fellows arbeiten gezielt an Schulen oder Kindergärten, die unter herausfordernden Bedingungen arbeiten und die von besonders vielen Kinder aus einkommensschwachen Familien besucht werden. Mit ihrer Arbeit möchte Teach for Austria dafür sorgen, dass künftig die Chance auf Bildung weniger stark vom Elternhaus abhängt. 

Teach for Austria ist Teil des globalen Teach for All Netzwerks, zu dem u.a. auch Teach First in Deutschland gehört.

«Unsere Vision ist, dass die Potenziale eines Kindes und nicht der Gehaltszettel der Eltern über seine Bildung und Zukunft entscheiden.» – Teach for Austria

 

IFTE – Und wenn unsere Jugend die Zukunft gestaltet?

Bei IFTE dreht sich alles um Entrepreneurship! Eine unternehmerische Haltung, so der Leitgedanke, ist vor allem Persönlichkeitsbildung. Sie setzt Potenziale frei, die Gesellschaft positiv mitzugestalten. Das Ziel von IFTE ist, Jugendliche zu befähigen, aktiv zu werden und ihre Zukunft selbst zu gestalten.

IFTE wurde von Johannes Lindner gegründet, der für seine visionäre Arbeit 2014 als erster Ashoka Fellow ausgezeichnet wurde. Als Lehrer an einer Wiener Handelsakademie hatte Lindner eine neue Lehr- und Lernmethode entwickelt, um Schüler*innen Unternehmergeist zu vermitteln. Rund um diesen stark persönlichkeitsbildenden Lehransatz baute er ein Netzwerk von Lehrern und Menschen aus Ministerien, Schulbehörden und der Wirtschaft, um neue Bildungsziele zu definieren, neue Arbeitsbücher zu entwickeln und neue Lernmethoden in das Klassenzimmer zu bringen.

IFTE verfügt heute über eine Vielfalt an Formaten, um das Thema weiter zu treiben. Hierzu zählt 

  • der jährliche Entrepreneurship Summit Wien als zentralen österreichischen Beitrag zur internationalen Global Entrepreneurship Week
  • der Next Generation Ideen- und Businessplanwettbewerb, der in zwei Kategorien sowohl Schüler*innen aus der Mittelstufe (“idea challenge”) als auch aus der Oberstufe (“real market challenge”) anspricht. Letztere entwickeln einen voll ausgereiften Businessplan.
  • den Debattierclub “Misch dich ein” bzw. den nationalen Wettbewerb “Schüler*innen Debattieren” 

Alle Module möchten helfen, dass junge Menschen zu kompetenten Problemlösern werden und lernen, ihre Ideen zu argumentieren und zu verteidigen.

Darüber hinaus stellt IFTE Schulen Tools an die Hand, um unternehmerische Challenges gemeinsam mit den Schüler*innen selbst zu starten, wie die Starte Dein Projekt Initiative oder das Changemaker-Programm. Das IFTE Team bietet Jugendlichen hiermit eine Plattform und unterstützen sie mit Workshops und Mentor*innen bei der Umsetzung eigener Ideen. IFTE ist international vernetzt und hat die Entwicklung 

«Junge Menschen sollen lernen, aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben – indem sie sich Ziele stecken, mit Rückschlägen und Herausforderungen umgehen lernen, kreativ an neuen Lösungen arbeiten und die Zukunft voller Chancen und Möglichkeiten sehen. Denn Entrepreneur*innen sind in allen Lebensbereichen gefragt!» – IFTE

 

© David Blacher / Teach For Austria

 

Teach for Austria bringt mithilfe eines Leadership-Programms ausgewählte
Hochschulabsolvent*innen als Lehrkräfte an herausfordernde Kindergärten und Schulen.

 

Talentify – Peer-to-Peer Lernhilfe und Sprungbrett in die Arbeitswelt

 ist für Schüler*innen und Schulabsolventen gemacht. 

Das Sozialunternehmen talentify möchte, dass alle jungen Menschen sollen ihr volles Potenzial entfalten und ein höchstmögliches Bildungsniveau erreichen können, unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund. Um dies zu fördern, vernetzt talentify schulübergreifend Jugendliche über eine Peer-to-Peer Lernhilfeplattform, unterstützt beim Finden von Stärken und Talenten und der Suche nach dem ersten Job. Die Organisation beruht auf zwei Säulen:

  • Talentify.me ist eine Peer-to-Peer Plattform für Schüler*innen. Hierüber können andere Schüler zum gemeinsamen Lernen gefunden, Punkte sammeln und Erfolge gefeiert werden. Die mobile App gibt es in Österreich und inzwischen auch in Deutschland. Hier geht es direkt zu Talentifyme.
  • Talentify.works gibt Unternehmen Sichtbarkeit im Schüler*innen-Netzwerk. Jugendgerecht aufbereitete Berufsbilder und Unternehmensprofile inkl. offener Stellen schaffen Einblicke und unterstützen bei Zukunftsentscheidungen. Zugleich berät Talentify die Unternehmen zu Fragen wie jugendgerechte Kommunikation oder Employer Branding.

Die Idee der Lernhilfe zwischen Schüler*nnen hatte etlichen Vorlauf. Sie entstand vor knapp 15 Jahren, als Bernhard Hofer mit drei Mitschülern der HTL Innsbruck die Junior Company „Easy Learning – Schüler helfen Schülern“ entwickelte. Nach seinem Studium und einigen Jahren Berufserfahrung griff er die Idee 2014 wieder auf und so entstand das preisgekrönte soziale Bildungsnetzwerk talentify.me. 

Und auch der nächste Schritt ist schon geplant. Künftig soll die talentify.academy zum zentralen, digitalen Lerntool rund um die Themen lebenslanges Lernen und Future Skills ausgebaut werden. Digitale Lerninhalte werden zu verschiedensten Themen für Jugendliche und Unternehmen konzipiert und sind direkt im talentify Ökosystem integriert.

«Wir sind ein junges und engagiertes Team, das ein großes Herz für Bildung hat und gemeinsam mit Jugendlichen, Schulen und Unternehmen an der Zukunft baut.» – Talentify

 

© talentify.me

 

talentify.me ist bereits seit einigen Jahren erfolgreich in Österreich aktiv
und unterstützt Zehntausende Schüler:innen auf ihrem (beruflichen) Weg.

SchoolFox: Die All-in-One Schul-App

Das 2016 gegründete Wiener EduTech Unternehmen hat eine App auf den Markt gebracht, die insbesondere während der Schulschließungen zum unverzichtbaren Bestandteil des Unterrichts geworden ist. Die multifunktionale Schul-App dient als direkter Draht der Lehrer zu den Schülern, etwa um Unterschriften einzuholen, Dokumente zu teilen, Stundenpläne zu koordinieren oder Gruppendiskussionen abzuhalten. Auch Video-Unterricht oder Hausaufgaben können über die Software abgewickelt werden.

Das Startup fährt einen ambitionierten Wachstumskurs. Nach dem erfolgreichen Start in Österreich mit ca einer Million Nutzer in 6.000 Schulen soll nun die App in zehn weiteren Ländern angeboten werden. 

In der Coronakrise hat SchulFox sein Supportteam verfünffacht und alle Services kostenlos angeboten. Eine Win-Win Situation: So konnten viele Schulen in einer kritischen Phase den Service ausprobieren; viele werden dies auch dann nutzen wollen, wenn die Dienste kostenpflichtig werden.

«Wir haben uns als kritische Infrastruktur gesehen und die LehrerInnen und Schulleitungen ebenso. Wir waren die Hotline für die ‚digitale Schule» – Julian Breitenecker, Co-Geschäftsführer SchoolFox

 

FREI.Spiel – Freiwillige für Kinder

Der Wiener Verein zur Betreuung und Förderung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen FREI.Spiel vermittelt ehrenamtliche Unterstützer, die als zusätzliche Bezugsperson Horte und Schulen entlasten. Der Fokus ist dabei auf der Betreuung und Förderung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen.

Durch ihren stabilen, kontinuierlichen, längerfristigen und zuverlässigen Einsatz werden FREI.Spieler*innen zu wichtigen Vertrauens- und Bezugspersonen der Kinder im schulischen Umfeld. Als unabhängige, nicht­ bewertenden Personen haben sie die Möglichkeit, Vertrauen auch dort aufzubauen, wo andere Akteure an Grenzen stoßen. 

FREI.Spiel ist Kooperationspartner der Plattform Socialheld, die Menschen, die sich engagieren möchten, mit Non-Profits verbindet. Letztes Jahr sind über die Plattform allein für den Einsatz in der Pandemie 27.000 freiwillige Helfer*innen hinzugekommen, als Privatperson oder im Rahmen eines Mitarbeiter Engagement Angebots von Unternehmen.

© Peter Rinnerthaler / FREI.Spiel

 

FREI.Spiel beitet Kindern, die vor besonderen Herausforderungen stehen,
sozial gerechtere Chancen auf Bildung.

Gleich mehrere der skizzierten Sozialunternehmen sind im Edu Hub Vienna angesiedelt. Dieser von Young Enterprises vor 10 Jahren ins Leben gerufene Co-Working Büro bietet Räumlichkeiten und Networking Möglichkeiten insbesondere für Start-ups aus dem Bildungssektor sowie dem Education Technology Bereich.

Die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development Goals (SDGs) sind ein Fahrplan für die Zukunft, den die Weltgemeinschaft 2015 beschlossen hat. Sie richten sich an alle: die Regierungen weltweit, aber auch die Zivilgesellschaft, die Privatwirtschaft und die Wissenschaft. Die Arbeit der hier vorgestellten Sozialunternehmen wirkt sich insbesondere positiv auf das SDG #4 (Hochwertige Bildung) aus.

 

 

Ziel 4 – Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern

In ihrer Agenda 2030 hat die Staatengemeinschaft für das SDG #4 – “Hochwertige Bildung” folgende Unterziele verankert:
  • Zugang zu einer hochwertigen Vorschulbildung und kostenlosen Grund- und Sekundarbildung für alle Mädchen und Jungen
  • Einen gleichberechtigten Zugang zu einer erschwinglichen und hochwertigen fachlichen, beruflichen und tertiären Bildung einschließlich universitärer Bildung gewährleisten
  • Die Zahl der Jugendlichen und Erwachsenen wesentlich erhöhen, die über die entsprechenden Qualifikationen für eine Beschäftigung, eine menschenwürdige Arbeit und Unternehmertum verfügen
  • Bau und Ausbau von inklusiven und sicheren Schulen
  • Erreichen der allgemeinen Alphabetisierung

Das Engagement der Sozialunternehmen wirkt sich zusätzlich positiv auf weitere SDGs aus. Dazu gehören insbesondere das SDG #10 (Weniger Ungleichheiten) sowie das SDG #8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) aus, da etliche der hier vorgestellten Sozialunternehmen den Sprung in die Arbeitswelt begleiten oder den „entrepreneurial spirit“ fördern.

Dieser Beitrag ist Teil der Gexsi Österreich Blogserie und wird gefördert durch die Austrian Development Agency (ADA) aus Mitteln der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.