Dieses Startup revolutioniert den Bienenschutz

© Luis Rodriguez / Unsplash

Health4Bees hilft Imkern, Bienenvölker möglichst schadstoffrei zu halten und so den Einsatz von Medikamenten zu reduzieren. Als fleissige Datensammlerinnen spielen die Bienen dabei eine entscheidende Rolle. 

Imker, Erfinder, Bienenschutz-Aktivist oder Startup-Gründer? Alles in einem.

Markus Bärmann ist ein gestandener Imker mit einem immensen Wissensschatz. Er kennt die Welt der Bienen, hat in Berufsimkereien in Nepal, den USA, Neuseeland, Frankreich und der Schweiz gearbeitet. Dazu hat er seine eigene Bienenzucht und ist immer wieder an Forschungsprojekten einschlägiger Bieneninstitute involviert.

Er kennt die Branche und ihre Strukturen, die von industrieller Honigproduktion bis zur Hobby-Imkerei reichen, wie kaum ein anderer. Und er tut etwas, um ihre Probleme zu lösen. Allen voran das Bienensterben. Bereits 2001 hat er ein Patent zur Reduzierung der Varroa-Milbe eingereicht, das auf den Einsatz organischer Mittel basiert. Dieses hat er erst kürzlich durch ein weiteres ergänzt, das dessen Anwendung für den Imker einfacherer und sicherer macht. Markus lacht: „Den Begriff Bienensterben kannte man damals noch nicht“. Das Problem hat sich jedoch damals schon abgezeichnet. Die Situation hat sich dennoch verschärft, allen voran durch die Akkumulation von Schadstoffeinträgen in der Umwelt. Markus macht keinen Hehl daraus, dass er die Großindustrielle Agrarchemie maßgeblich für den Schaden verantwortlich macht.  „Der Imker sieht nur, dass die Varroa-Milbe in seinem Bienenstock ihr Unwesen treibt. Was er nicht sieht, ist, dass sein Bienenvolk mit der Milbe wesentlich besser zurechtkäme, wenn er nicht durch schädliche Umwelteinflüsse geschwächt wäre“, so Bärmann. Und weiter: „Wenn wir den Schadstoffeintrag niedrig halten, können wir auch den Einsatz von Medikamenten gegen die Varroa-Milbe massiv reduzieren. So einfach ist das.“ 

«Wenn wir den Schadstoffeintrag niedrig halten, können wir auch den Einsatz von Medikamenten gegen die Varroa-Milbe massiv reduzieren.»
Markus Bärmann

Da auch die Politik zu langsam und schwerfällig agiere, ergreift Bärmann lieber selbst initiative. Gemeinsam mit seiner Partnerin Heike Holzum hat er jüngst das Startup Health4Bees gegründet. Dieses versetzt Imker mit erstaunlich einfachen Mitteln in die Lage, ihre Bienenvölker gesund zu halten. Ihr Patentrezept: Die Kombination eines ganzheitlichen Ansatzes mit modernster Technologie.

 

© Health4Bees
Markus Bärmann besucht den Health4Bees Kooperationspartner in Äthiopien im Januar 2020. 

 

 

Das Patentrezept: Ein ganzheitlicher Ansatz gepaart mit modernster Technologie

Lösung #1: Eine Smartphone App zur Ortung von Umweltgiften im Einzugsbereich des Bienenstocks 

Bienen sammeln nicht nur Nektar und Pollen, sondern auch Daten. Sie sind sogar unglaublich effektive Datensammlerinnen. Eine Biene besucht pro Tag etwa 200 Blüten. Ein gesundes Bienenvolk mit 20.000 Sammelbienen bestäubt entsprechend täglich vier Millionen Blüten. Über den dabei eingebrachten Nektar und Pollen liefert ein Bienenvolk eine immense Datenmenge darüber, ob z.B. Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurden oder ob der Boden kontaminiert ist. 

«Ein gesundes Bienenvolk sammelt mit dem Nektar und dem Pollen Daten von mehreren Millionen Blüten pro Tag.» Markus Bärmann

Health4Bees entwickelt hierfür Einsätze für den Bienenstock, die für eine schnelle und kostengünstige Auswertung relevanter Umweltdaten vorbereitet sind. Der Imker muss lediglich beim Austausch der Mittelwände, an denen die Bienen ihre Waben ausbauen, die entsprechende Daten ablesen.

Das Ziel: eine Smartphone App, die es Imkern ermöglicht, das von den Bienen gesammelte Wissen über Umweltgifte zwischen Imkern auszutauschen. Sobald Daten sich überlappender Einzugsbereiche ausgewertet werden, kann der Bereich, wo ein bestimmtes Umweltgift herkommt, präziser eingegrenzt werden. Der Imker kann dann entscheiden, ob er sein Bienenvolk umzieht oder er Wege findet, die schädlichen Umwelteinflüsse zu beseitigen.

Lösung #2: Ersatz von gepanschtem Bienenwachs im Bienenstock selbst dank moderner Biopolymere 

Es war eher ein Zufall, dass Bärmann auf ein weiteres Problem gestoßen ist. Bei den ersten Testmessungen fiel ihm auf, dass die Auswertung wirre Ergebnisse lieferten.Die Ergebnisse waren verfälscht, weil die als Datenträger verwendeten Mittelwände im Bienenstock selbst schadstoffbelastet waren. Die Erkenntnis: Vielfach schleppen Imker selbst unbewusst Umweltgifte ein, indem sie auf schadstoffbelastetes Zubehör zurückgreifen, das im Handel weit verbreitet ist. Konkret geht es um vorgeprägte Platten aus Bienenwachs, die der Imker als Mittelwände im Bienenstock einsetzt und damit ältere, von den Bienen mit ihrem eigenen Wachs ausgebaute Waben, ersetzt. Die alten Waben werden üblicherweise vom Imker eingeschmolzen und dann im Fachhandel entweder zur Umarbeitung oder zum Tausch gegen neue Mittelwände abgegeben. Der Imker erhält häufig nicht sein eigenes Bienenwachs zurück, sondern ist Teil eines Tauschsystems. 

«Bei der industriellen Agrarchemie geht es um den Kampf um Marktanteile und um den eigenen Überlebenskampf. In diesem Umfeld fällt es den Unternehmen schwer, ihr gesammeltes Wissen zu Umweltgiften und Bienenzucht in einer Open-Source-Datenbank offenzulegen.» Markus Bärmann

Genau hier liegt die Crux. Es wird mehr neues Wachs benötigt, als altes abgegeben wird. Um dennoch die Nachfrage nach neuen Mittelwänden zu bedienen, wird dem Altwachs des Imkers teilweise Wachs unbekannter Herkunft zugesetzt. Dabei kann es sich auch um künstliches, synthetisches Wachs handeln, welches nicht von Bienen selbst produziert wurde. Sowohl dieses Fremdwachs als auch Wachs mit signifikanter Belastung durch Umweltgifte und synthetisch hergestelltes Wachs kann zum Tod der jungen Bienenbrut – und damit in Folge zum Tod des gesamtes Bienenvolkes – führen. Äußerlich sichtbar ist eine solche Verfälschung des reinen Bienenwachses für den Imker zunächst nicht. Bisher können nur kostenintensive Analysen, die den Kaufpreis des Wachses oft um ein Vielfaches übersteigen, Aufschluss über die Qualität geben.

Zur Lösung dieses Problems hat Health4Bees eine Alternative zu den Mittelwänden aus verfälschtem Bienenwachs entwickelt, die aus einem Bio-Polymer besteht, welches lebensmittelecht und schadstoffrei ist. Das Unternehmen arbeitet hierfür mit einem deutschen Familienbetrieb, der Firma Mankoplast aus Verl, zusammen. 

Ein schlankes Startup-Unternehmen, das seine Unabhängigkeit bewahrt

Health4Bees arbeitet mit äusserst schlanken Strukturen, teils mit einem erschreckend kleinem Budget. „Das Unternehmen soll sich aus sich selbst heraus finanzieren“, so Bärmann, durch den Verkauf der Mittelwände aus Biopolymeren. Die Smartphone App ist eine Beigabe, die allen Imkern kostenlos zur Verfügung gestellt werden soll. Denn das Bienensterben ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die einen kollaborativen Ansatz erfordert. Ein Bezahl-Modell ist allenfalls für die Pharmaindustrie angedacht.

«Wir haben uns bei der Ausarbeitung des Gesellschaftervertrages an den Bienenvölkern orientiert. Es wird nichts alleine entschieden, sondern stets im Konsens» Markus Bärmann

Diese sammelt heute auch schon Daten, die jedoch nicht öffentlich zugänglich gemacht werden. Bärmann äußert sich verhalten, wenn es um die Rolle der Konzerne geht: „Bei der industriellen Agrarchemie geht es um den Kampf um Marktanteile, um kurzfristige Gewinninteressen, um den eigenen Überlebenskampf. Kein Wunder, dass es den Konzernen schwer fällt, ihre gesammelten Daten zu Umweltgiften und Bienenzucht offenzulegen“. Das Zurückhalten von Informationen gehe letztlich zu Lasten der Bienen und damit der Gesellschaft insgesamt.

Mit seinem Startup möchte er daher um jeden Preis unabhängig bleiben. Lieber langsamer wachsen als die falschen Investoren an Bord zu bekommen. Unterstützung erhält Health4Bees durch das Mentoring-Programm der Duisburger Impact Factory. Das von Oliver Kuschel und Dirk Sander mit Unterstützung u.a. der Beisheim Stiftung sowie der familiengeführten Haniel Firmengruppe ins Leben gerufene Programm bietet Gründer*innen ein Zuhause, die skalierbare soziale Geschäftsmodelle entwickeln.

So kannst du dich selbst für Bienenschutz engagieren

  • Verzichte auf Pestizide im eigenen Garten und pflanze bzw. säe heimische Blumen, deren Blüten den Bienen Nahrung geben. Das kann auch auf einem kleinen Balkon sein.
  • Verwende kein gebeiztes Saatgut, denn dies ist mit Insektiziden behandelt, die sich später in der ganzen Pflanze wiederfinden. Ungebeiztes, ökologisches Saatgut bietet zum Beispiel die Bingenheimer Saatgut AG an, die auch viele Naturkostläden mit biologischem Saatgut beliefert.
  • Auch das, was als Unkraut bezeichnet wird, ist oft eine überlebenswichtige Nahrungsgrundlage für Insekten, so etwa Löwenzahn für Bienen oder Brennessel für Schmetterlingsraupen.
  • Schaffe Trinkstellen mit Schwimmhilfen (z.B. Rindenstücke) für Bienen während Trockenperioden. Wichtig: Nur Wasser verwenden, ohne Zusatz von Zucker oder Honig.

 

Wenn du Informationen zum Thema Bienen suchst oder tiefer einsteigen möchtest, wende Dich direkt an Health4Bees oder an folgende Stellen (anstatt auf die Schnelle ein Hobbyimker-Set im Baumarkt zu kaufen):

  • Mellifera Der 1986 gegründete Verein setzt sich für eine ökologische und wesensgerechte Bienenhaltung ein und umfasst diverse lokale Ortsgruppen.
  • Netzwerk Blühende Landschaft Die Initiative setzt sich dafür ein, blühende Flächen für Bienen zu schaffen, vom eigenen Balkon bis zum Verkehrskreisel in der Stadt.
  • Aurelia Stiftung Nach dem Motto „Nicht die Biene muss verändert werden. Unser Verhalten muss sich ändern“ setzt sich die Stiftung für eine artgerechte Bienenhaltung ein.. Hier geht es zur aktuellen Petition „Schützt die Biene vor Gen-Technik
  • Imkernetzwerk Bayern Das Imkernetzwerk ist nicht mit dem deutschen Imkerbund mit seinen Landesverbänden zu verwechseln, welche professionelle Imker betreuen. Das Imkernetzwerk Bayern ist ein eingetragener Verein Bayerischer Bienenzüchter, der sich für eine ökologische Bienenhaltung einsetzt.
  • Grome Harvest Das Startup aus Duisburg bietet Unternehmen Gartenpatenschaften an, bei denen die Mitarbeitenden in professionell begleiteten Formaten gemeinsam gärtnern, kochen und – über eine Partnerschaft mit Health4Bees – imkern.

 

Unser Büchertipp: Bienendemokratie von Thomas Seeley

Der bekannte US-amerikanische Verhaltensforscher erklärt in seinem Buch Bienendemokratie, warum die Bienenkönigin keine absolute Herrscherin ist. Vielmehr gelte: Bienen entscheiden alle gemeinsam als Schwarm, sie erforschen kollektiv einen Sachverhalt und debattieren lebhaft, um letztlich einen Konsens zu finden. Das Buch ist in deutscher Übersetzung im Verlag S. Fischer erschienen.