„Mich hat die Ungerechtigkeit bewegt, die Kinder durch Krieg und Vertreibung erleiden müssen“ – Interview mit Rudayna Abdo

©Rudayna Abo / Thaki

Rudayna Abdo hat ihre Karriere komplett umgeworfen, um ein Bildungssystem für gefährdete Kinder und Flüchtlingskinder im Libanon aufzubauen, die aufgrund der politischen Lage keine Schule besuchen können.

Thaki wurde von Rudayna Abdo gegründet, einer Stadtplanerin aus dem Libanon mit Abschlüssen vom MIT und der McGill University. Ihre Eltern wurden 1948 aus Palästina vertrieben, und sie selbst floh im Alter von acht Jahren aus dem Libanon. Als 2011 die syrische Flüchtlingskrise begann, beschloss Abdo, aktiv zu werden, um Kinder und Jugendliche zu unterstützen, die als Flüchtlinge in der Region keine Bildungschancen hatten. Durch umfangreiche Recherchen und Besuche im Libanon entwickelte sie ein Modell zur Wiederverwendung gespendeter Laptops mit offline-fähiger Bildungssoftware. Heute stellt Thaki Tausende von aufbereiteten Geräten für Bildungspartner im Libanon und in Jordanien bereit und schult gleichzeitig Lehrer, um die digitale Kompetenz der Kinder in diesen Gemeinschaften zu fördern.

Welches Problem löst ihr mit Thaki? Warum braucht es dafür genau eure Lösung?

Thaki stellt Flüchtlingskindern aufbereitete Laptops mit Bildungsinhalten zur Verfügung und behebt damit den Mangel an hochwertiger Bildung und digitalen Ressourcen für diese Gemeinschaften im Nahen Osten. Diese skalierbare Lösung überbrückt die digitale Bildungslücke, unterstützt die langfristige Entwicklung von Fähigkeiten und bekämpft das Bildungsgefälle zwischen den Geschlechtern in Flüchtlingsgemeinschaften.

Was hast du gemacht, bevor du das aktuelle Projekt/Unternehmen gestartet hast?

Ich hatte eine lange Karriere in der Stadtplanung und war sowohl in Nordamerika als auch im Nahen Osten tätig.

Was oder wer hat dich dazu bewegt, Sozialunternehmerin zu werden?

Mich hat die Ungerechtigkeit bewegt, die Kinder durch Krieg und Vertreibung erleiden müssen und wie ihnen dadurch ihre Zukunft genommen wird. Ich bin die Tochter palästinensischer Flüchtlinge, und diese Ungerechtigkeiten gehen mir sehr nahe.

Welche eurer Erfolge sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Vor etwa 5 Jahren besuchte ich eine unserer Partnerschulen und beobachtete in aller Ruhe, wie die Kinder in dem von uns eingerichteten Computerraum an Laptops arbeiteten. Zu sehen, wie die Kinder mit Enthusiasmus, Begeisterung und echtem Interesse am Lernen arbeiten, rührte mich zu Tränen. Das war nicht nur mein Verdienst, sondern auch das des Thaki-Teams und aller, die sich in vielfältiger Weise für unsere Sache eingesetzt hatten.

Gab es Momente, die besonders herausfordernd waren und was habt ihr daraus gelernt?

Es gab viele herausfordernde Momente! Dazu gehören die Sorge um Laptop-Spenden, die Finanzierung und die Einhaltung von (meist selbst auferlegten) Fristen. Meine wichtigste Lektion ist, dass Probleme nachts immer am dunkelsten sind und morgens leichter zu bewältigen scheinen – ich sollte mich also nachts nicht zu sehr aufregen!

© Rudayna Abdo / Thaki

„Die Welt braucht mehr mitfühlende Friedensstifter, die über ihr Ego hinausblicken können.“

— Rudayna Abdo, Thaki. 

Wohin soll die Reise in Zukunft gehen und was sind die nächsten großen Ziele?

Ich möchte das, was ich in den letzten 9 Jahren beim Aufbau von Thaki gelernt habe, auf die unüberwindbare/unmögliche Herausforderung anwenden, Gerechtigkeit in das zerstörte Leben der Kinder von Gaza zu bringen und zu versuchen, ihnen irgendwie Hoffnung zu geben und ihnen ihre grausam gestohlene Zukunft zurückzugeben. Und jetzt, wo die Menschen im Libanon von der jüngsten Gewalt betroffen sind, wird unsere Arbeit dort mehr denn je gebraucht.

Was hättest du gerne gewusst, bevor ihr euer Projekt/Unternehmen gestartet habt? Welchen Rat würdest du anderen mit auf den Weg geben?

Die unternehmerische Reise kann manchmal einsam sein, und obwohl es keinen „Aus“-Knopf gibt, sollten Sie sich Parameter setzen, die es Ihnen erlauben, sich zurückzuziehen, wenn es nötig ist. Wichtig ist auch, dass Sie sich um Ihre geistige Gesundheit kümmern und in gelegentliches Coaching mit jemandem investieren, bei dem die Chemie stimmt.

Welchen Podcast hörst du regelmäßig? Welches Buch ist für dich persönlich ein absolutes Must-read?

Meine derzeitige Lieblingssendung ist Makdisi Street. Ich habe gerade „Atomic Habits“ von James Clear gelesen, das ich wieder lesen werde, aber mein Lieblingsautor in letzter Zeit ist John O’Donohue – er bringt mir so viel Frieden.

Was sind deine Tipps für den Alltag, um Gutes zu tun? Und wo fällt es dir vielleicht eher schwer, nachhaltig zu leben?

Wenn Ihr Bauchgefühl Ihnen nein sagt, Ihr Verstand aber ja, hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Wägen Sie sorgfältig ab, was Ihr Bauchgefühl und Ihr Herz Ihnen sagen, aber hören Sie vor allem auf Ihre Seele. Meine größte Herausforderung für ein nachhaltiges Leben ist mein Wunsch und mein Bedürfnis zu reisen. Meine Familie und meine Arbeit sind über den ganzen Globus verstreut, so dass ich viele Flugreisen machen muss. Ich mache das auf andere Weise wieder wett, aber ich fühle mich nicht wohl dabei, wenn ich auf Reisen Kohlenstoff ausstoße.

Welche Organisation bzw. welches Start-up beeindruckt dich besonders und ist für dich ein wahres Vorbild?

Mir gefällt das Konzept von Visualizing Palestine – wie sie anfangs Talente und Daten für ihre Visualisierungen per Crowdsourcing beschafften und dann ein nachhaltiges Modell entwickelten, um komplexe, wichtige und glaubwürdige Informationen auf schöne und zugängliche Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Ergänze diesen Satz: Die Welt braucht mehr…

… mitfühlende Friedensstifter, die über ihr Ego hinausblicken können.

 

Mehr zu Thaki erfahrt ihr auf unserer Projektseite: