Gegen Plastikmüll in den Meeren: Mehrweg Pfandsysteme für Südostasien
Das Münchner Social Startup Glassic etabliert auf der Insel Ko Kut in Thailand ein Mehrweg-Pfandflaschensystem. Die stylischen Glasflaschen sollen die Flut an Einwegflaschen eindämmen. Das Projekt hat im November den Gexsi Impact Challenge Award gewonnen.
Das Thema “Plastikmüll und Meere” ist inzwischen omnipräsent. Eine bunte Vielfalt an Initiativen ist entstanden, die Ocean Clean-ups organisieren, sich für den Verbot von Einwegtüten engagieren oder Produkte herstellen, die aus dem Meer gefischte Plastikflaschen oder aus alten Fischernetzen hergestellt werden.
Wir präsentieren hier eine von Studenten der TU München gestartete Initiative, die einen ganz neuen Weg geht und das Problem an der Wurzel bekämpft: Glassic.
Südostasien als ein Hotspot für Plastik-Vermüllung der Meere
Vor allem in Asien ist der Konsum von Einweg Plastikflaschen enorm. 7 der 10 Länder weltweit mit den größten Aufkommen an Plastikmüll sind in Asien. Etwa 7 Milliarden Plastikflaschen werden jährlich hergestellt. Die wenigsten werden recycelt. Überhaupt wird weniger als 10% des Plastikmülls weltweit bislang recycelt. Der größte Anteil landet auf der Müllkippe, wird energetisch genutzt oder landet in der Umwelt bzw. in den Meeren.
Das Startup Glassic hat ein Social Business gegründet, das den Verkauf von Wasser in Mehrweg Pfandflaschen in Südostasien etabliert. Es startet auf der Insel Ko Kut im Golf von Thailand.
Export einer guten Idee
Es exportiert damit eine Idee, über die wir in in Europa über viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte Erfahrungen gesammelt haben – in Schweden gibt es Flaschenpfand auf 33cm Glasflaschen seit 1885. In Deutschland sind Mehrweg Glasflaschen vor allem bei Bier und Mineralwasser ein Erfolg. Der Marktanteil für Pfandflaschen liegt bei Bier bei über 80%, bei Mineralwasser bei immerhin knapp 40%.
Die Gründer von Glassic haben erkannt, dass die Voraussetzungen für Mehrwegsysteme insbesondere auf den vorgelagerten Inseln in Thailand hervorragend sind. Es gibt ausreichend Quellen mit Trinkwasserqualität, die eine lokale Produktion ermöglichen. Die Einwegflaschen, mit denen Glassic konkurriert, werden meist von zentralen Distributoren aus Bangkok eingeführt und haben entsprechend hohe Transportkosten. Auch kostet die Einwegflasche ein Vielfaches dessen, was ihr Inhalt wert ist. Ökonomisch ist dies suboptimal.
Hinzu kommt, dass gerade auf den touristisch genutzten Inseln es ein Klientel gibt, die als “early adopters” das System zum Laufen bringen können. Denn viele der Touristen kennen nicht nur die Plastikmüllproblematik, sondern auch Glaspfand und sind froh, wenn sie über eine kleine Kaufentscheidung einen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. Entsprechend attraktiv sind die Flaschen insbesondere für die Gastronomie und die Hotels.
«Wir befähigen Einheimische und Touristen, indem wir ihnen sowohl das Bewusstsein als auch die Produktalternative geben, eine Wahl zu treffen, um einen Unterschied zu machen. Gemeinsam für eine natürliche und nachhaltige Welt gehen wir vier Ziele der SDGs direkt an: 14, 13, 12, 6.» Patrick Bombik, Gründer Glassic
Ein Startup im Wettbewerb mit Konzernen, von Studierenden gegründet
Stolz sind die Gründer von Glassic, dass das Produkt preislich mit den Konkurrenzprodukten mithalten kann. Denn dies ist die Voraussetzung, dass die Idee sich weiter verbreiten kann und Glasflaschen bzw. Pfandsysteme von weiten Teilen der Bevölkerung genutzt werden. Durch seine Lage ganz im Osten des Golfs von Thailand wird Ko Kut stark von Touristen aus dem asiatischen Raum frequentiert – ein Vorteil, wenn es darum geht, die Idee eines Pflaschenpfands in diesem Kulturkreis zu etablieren.
Glassic wurde von Studierenden der TU München entwickelt und ist Teil des weltweiten Studierenden-Netzwerks für Social Entrepreneurship – Enactus. Über das Netzwerk werden immer wieder Wettbewerbe ausgelobt, einige gezielt, um Lösungen für den Kampf gegen die Verschmutzung der Meere zu entwickeln: 1 Race – 4 Oceans.
Alle 3 Sekunden landet 1 Tonne Plastikmüll in den Ozeanen. Jedes Jahr werden 146 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungen produziert. Aber nur 20% werden recycelt. Und Südostasien trägt zu 70% der weltweiten Kunststoffverschmutzung bei.
Das Startup ist bereit zum Durchstarten. Die Partner auf Ko Kut sind an Bord, die ersten 18.000 Mehrwegflaschen sind – dank eines Sponsorships – bereits hergestellt und die Filtrations- und Abfüllanlage ist im Bau. Die Einschränkungen durch COVID-19 sowie die fehlenden Touristen sind Herausforderungen, die den Start aktuell noch verzögern.
Als nächster Schritt soll Glassic als gemeinnütziges Unternehmen in Deutschland ausgegründet werden, welches den Roll-out der Idee in Südostasien als ein Social Franchise-Modell steuert. Über die gemeinnützige Struktur ist es Glassic möglich, Ocean Clean-ups zu organisieren oder Umweltbildungsprojekte zu starten. Denn eines steht fest: Glassic wurde gegründet, um die Verschmutzung der Meere an der Wurzel zu bekämpfen. Die unternehmerischen Mittel sind Mittel zum Zweck.
In eigener Sache
Glassic hat im November den von Gexsi gesponserten Impact Challenge Award gewonnen, der im Rahmen des Enactus Germany Startup Accelerators vergeben wurde.
Mit Glassic unterstützt Gexsi bereits das zweite Projekt, das eine Brücke zwischen besserem Produkt-Design und Plastikmüllvermeidung schlägt. Ein ähnliches Ziel, mit einem wiederum ganz anderen Ansatz, verfolgt die “Replace Plastic” App des Vereins “Küste gegen Plastik”. Diese ermöglichen jeden von uns, Änderungen beim Produktdesign anzuregen, wenn wir beim Einkaufen über Produkte stolpern, die unnötig viel Plastikverpackung enthalten. Einfach den QR-Code einscannen und via der App den Hersteller informieren, dass wir als Kunde vielleicht das Produkt, aber nicht dessen Verpackung für gut befinden.
Fragen, Kritik, Anregungen? Schreibt uns!
Dr. Andreas Renner, Co-Founder Gexsi: andreas@good-search.org