Diese Bildungsinnovation aus Duisburg stärkt Kinder aus Problembezirken

Bild: Tausche Bildung für Wohnen

Kinder, die in sogenannten „sozialen Brennpunkten“ aufwachsen, haben meist schlechte Bildungschancen. Hier setzt das innovative Peer-to-Peer Programm von Tausche Bildung für Wohnen aus Duisburg an. Der Verein arbeitet mit engagierten jungen Menschen, die gezielt in benachteiligte Viertel wie Duisburg-Marxloh ziehen und dort als Bildungspaten arbeiten.

Die Idee ist an sich einfach: Der Verein Tausche Bildung für Wohnen bietet jungen Menschen die Möglichkeit, sich in benachteiligten Stadtteilen als Bildungspate oder -patin für Kinder und Jugendliche zu engagieren – im Tausch für mietfreies Wohnen in einer WG mit weiteren Bildungspaten. Denn während in vielen Teilen Deutschlands Wohnraum knapp und für viele unbezahlbar ist, sind die Mieten in Regionen wie Duisburg-Marxloh niedrig, der Leerstand hoch. Das Angebot richtet sich an junge Erwachsene, die im Ruhrgebiet studieren oder die ein freiwilliges soziales Jahr machen möchten.

So gelingt es dem Verein, junge Menschen anzuziehen, die sonst nie in ein Viertel ziehen würden, denen ein so negatives Image anhängt und über das man nicht weiß, was Mythos und was Realität ist. Dieser Perspektivenwechsel ist für beide Seiten bereichernd: Es hilft, Vorurteile abzubauen und macht deutlich, dass der persönliche Austausch durch nichts zu ersetzen ist.

 

Bild: Tausche Bildung für Wohnen

 

Die Hauptwirkungsstätte des Duisburger Vereins ist die sogenannte Tauschbar, in der die Bildungspaten und -patinnen jeweils bis zu 5 Kinder und Jugendliche aus dem Vierteln betreuen, mit ihnen Schulaufgaben machen oder spielen. Die Tauschbar bietet einen geschützten Raum, in dem sich die Kinder und Jugendliche angstfrei – ohne Druck der Schule oder Eltern – bewegen können. Als Bezugspersonen, die weder von der Schule noch vom Sozialamt geschickt werden und die selbst um die Ecke wohnen, fällt es den Bildungspaten und -patinnen leichter, eine Vertrauensbasis zu schaffen, die für den Erfolg des Projekts entscheidend ist. Nur so können Lernbarrieren abgebaut, Potenziale entfaltet werden. Vielfach gehen die Bildungspaten auch mit in die Schule und helfen Kindern im Unterricht. Angesichts vieler Klassen, in denen die Mehrzahl der Kinder aufgrund ihrer Herkunft Sprachbarrieren haben ein Angebot, das Lehrer dankbar annehmen. 

«Vorhandenes Potential zu nutzen sowie Bildung und Teilhabe zu ermöglichen, sind für uns ganz zentrale Anliegen.»  Christine Bleks, Mit-Gründerin Tausche Bildung für Wohnen

Der Verein lebt soziale Integration vor, ist offen für alle, auch für geflüchtete oder neu zugezogene Kinder, die noch keinen Schulplatz zugewiesen bekommen haben. In der Tauschbar gibt es zudem Obst und Käsebrote, damit kein Kind hungrig bleibt.  

Letztlich übernimmt der Verein eine Vielzahl an Aufgaben, wo öffentliche Stellen aus dem Bereich der Bildung, Sozialarbeit oder Quartiersentwicklung selbst nicht weiterkommen. Eigentlich, so erklärt Christine Bleks, bräuchten schwierige Viertel doch die besten Lehrer, Schulen und Betreuungsangebote, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Dies sei aber gerade nicht der Fall.

 

Bild: Tausche Bildung für Wohnen

 

Entsprechend groß ist das Potenzial, das Konzept der Bildungspaten und -patinnen auszuweiten. Denn benachteiligte Viertel gibt es ja vielerorts. Wo also liegt das Problem? Der Engpass ist nicht, engagierte Bildungspat*innen zu finden. Die Herausforderung ist, ein sich selbst tragendes Geschäftsmodell zu entwickeln. 

Denn obwohl es intuitiv nahe liegt, die Arbeit etwa durch Bildungsgutscheine oder andere öffentliche Mittel zu unterstützen, war dies in der Praxis aus formalen Gründen bislang nicht umsetzbar. Trotz grundsätzlich guten Willens auf allen Seiten passen die Systeme nicht richtig zusammen. Eine soziale Innovation wie ein Tausch “Bildung für Wohnen” ist nunmal in keinem öffentlichen Haushalt vorgesehen. 

Umso bewundernswerter ist, mit welcher klaren Linie der Verein seine Arbeit verfolgt, selbst wenn im Hintergrund hier und da Krisenmanagement betrieben werden muss. Ein Lichtblick: Der Wert der Arbeit wird von immer mehr Menschen erkannt, die Zahl der Unterstützer steigt. So konnte der Verein letztes Jahr mit Gelsenkirchen-Ückendorf sein Konzept auf einen zweiten Standort übertragen. Die Idee, das Modell auf weitere Städte zu übertragen, hatte Christine Bleks und ihr Gründungs-Partner Mustafa Tazeoglu bereits 2012, als die sie die ersten Ideen für das Konzept formten. Damals hatten sie ihr Konzept als ein “Social Franchising” Modell bei einem Social Entrepreneurship Wettbewerb der Vodafone Stiftung vorgetragen und damit den ersten Preis gewonnen. Dem Team von Tausche Bildung für Wohnen ist zu wünschen, dass die Ausweitung auf weitere Städte gelingt. Der Bedarf ist da.   

 

Bild: Simon Hölscher / Tausche Bildung für Wohnen

 

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Dr. Andreas Renner, Co-Founder GOOD: andreas@good-search.org