Die Social Entrepreneurship Highlights 2020
Viele hätten sich ein Reset Button gewünscht, um das Jahr 2020 einfach nochmal neu zu starten – ohne Virus. Es gab aber auch eine ganze Menge toller Entwicklungen aus dem Impact Sektor. Hier findet ihr unsere persönliche Auswahl an Highlights.
WirVsVirus Hackathon – Lösungen gegen die Krise in Rekordzeit
Fast 30.000 (!) Menschen haben die Organisatoren des WirVsVirus Hackathons im März 2020 mobilisiert, um gemeinsam an digitalen Lösungen für die Corona-Krise zu arbeiten: 1.500 an der Zahl. Der Hackathon hat nicht nur das enorme Engagement und die Leistungsfähigkeit des Social Entrepreneurship-Sektors gezeigt. Es war auch ein Beispiel für eine erfolgreiche Kooperation ganz unterschiedlicher Akteure, von Einzelpersonen über die Bundesregierung bzw. staatlichen Verwaltungen bis hin zum Wohlfahrtssektor wurden neue Banden geschlagen. In einem Follow-up Prozess wurden eine reduzierte Anzahl an Lösungen weiterentwickelt und in relevante Themenbereiche geclustered, etwa mit Blick auf Lösungen für Pflegeheime und Senioren, Krankenhäuser und Ärzt*innen oder Schulen und Bürger*innen: Nachzulesen hier im Katalog.
Social Entrepreneurship schafft es zweimal in den Bundestag
Bisher gibt es in der Bundesregierung keinen direkten Ansprechpartner, kein für Social Entrepreneurship zuständiges Ministerium. Umso erfreulicher ist, dass – nicht zuletzt durch den erfolgreichen Einsatz des Social Entrepreneurship Netzwerks Deutschland (SEND e.V.) – sich der Bundestag in 2020 gleich zweimal mit dem Thema Social Entrepreneurship befasst hat. Mehr noch: Nahezu alle Parteien sind sich im Grundsatz darüber einig, dass neben technologischen Innovationen auch soziale Innovationen besser gefördert werden müssen.
Diskutiert wurde zudem die Frage, ob es nicht auch in Deutschland möglich wäre, die Gelder namenloser Konten zu nutzen, um den Social Entrepreneurship-Sektor zu entwickeln. Ein Antrag der FDP sowie eine kleine Anfrage der Fraktion der Grünen/Bündnis90 zielten hierauf ab. Wie das funktionieren kann, hat die britische Labour Regierung mit ihrem Big Society Fonds bereits 2005 gezeigt.
Africa GreenTec gewinnt über 500 Impact Angels für sein mutiges Geschäftsmodell
Alle Zahlen, wie positiv sich der Markt für wirkungsorientierte Investments, die Gutes für die Welt bewirken, in den letzten 10 Jahren entwickelt hat, täuschen darüber hinweg, dass in aller Regel die ärmsten Regionen und Krisengebiete der Welt außen vor bleiben.
Africa GreenTec ist anders. Wir sind beeindruckt, dass das von Torsten und Aida Schreiber gegründete, marktorientiert arbeitende Social Business Africa GreenTec aus Hainburg bei Frankfurt sich mit ihren ganzheitlichen Energielösungen in Länder wagt, um die nahezu alle Investoren einen großen Bogen machen. Und dies mit einer beeindruckenden Vision. Das Unternehmen möchte in den kommenden Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag in der Region investieren. Die aktuelle Crowdinvestment-Kampagne ist ein erster Schritt hierzu.
Nach ihren Erfolgen allen voran in Mali hat Africa GreenTec in 2020 die Weichen gestellt, um in Niger und dem Tschad weiter zu expandieren. Bemerkenswert ist: Auf dem Human Development Index steht Tschad auf Platz 187 und Niger auf Platz 189 von insgesamt 190 Plätzen. Aus Sicht von Torsten und Aida Schreiber, den Gründer*innen von Africa GreenTec ist dies – trotz aller Herausforderungen – weniger ein Problem als eine unglaubliche Chance. Denn in jedem Dorf wimmelt es an jungen Menschen, die etwas bewegen, unternehmerisch aktiv werden, etwas aufbauen wollen.
Der mutige Ansatz wird von den Fans von Africa GreenTec honoriert. Über die laufende Crowdinvestment-Kampagne hat das Unternehmen bereits mehr als 500 Investor*innen mobilisiert, die in der Summe deutlich über eine Million Euro bereitgestellt haben.
Ein millionenschwerer Exit für Nebenan.de
Das Online Nachbarschaftsnetzwerk Nebenan.de hat im Sommer 2020 für einen zweistelligen Millionenbetrag die Mehrheit ihrer Anteil an die Münchner Burda Mediengruppe verkauft und damit die Impact Szene aufgewühlt. Denn es ist ungewöhnlich, aus Sicht mancher Kommentatoren gar unethisch, ein Sozialunternehmen zu verkaufen – und dies auch noch an eine Gruppe, die Teil der Mainstream Economy ist.
Es zeigt jedoch: Sozialunternehmen sind nicht nur in kleinen Nischen unterwegs, sondern können sich auch in Mainstream Märkten erfolgreich positionieren. Und diese Botschaft hat Gewicht.
Nebenan.de hatte sich entschieden, das Wachstum über externe Investoren, darunter auch mehrere Finanzinvestoren, die jetzt von Burda teils abgelöst wurden, zu bestreiten und – dies darf nicht übersehen werden – parallel hierzu eine gemeinnützige Nebenan.de Stiftung aufzubauen. Andere Sozialunternehmen wie wir als Gexsi haben ihre Anteile von vorneherein in eine Stiftung gelegt oder geben einer Stiftung wie der Purpose Foundation Vetorechte, die einen Verkauf von Anteilen an Externe ausschließen. Dies stärkt die Glaubwürdigkeit, kann aber, wenn nicht alle Details bedacht werden, den Zugang zu Risikokapital erschweren.
Welcher Weg richtig oder falsch ist, lässt sich per se sagen. Wünschenswert ist, wenn immer mehr Investoren wirkungsorientiert investierten, egal ob sie sich an einem Sozialunternehmen oder aber ob sie sich an einem For-Profit Unternehmen beteiligen, um dieses sukzessive in ein nachhaltiges Unternehmen zu transformieren. Eine Rechtsform, die für wachstumsorientierte Sozialunternehmen zugeschnitten ist wie die Benefit Corporation in den USA sowie Italien oder die Community Interest Company in Großbritannien gibt es in Deutschland bislang nicht. Sie wäre eventuell etwas für Nebenan.de gewesen, um eine Verwässerung der Mission bei der Beteiligung externer Investoren auszuschließen.
Eine solide Infrastruktur für Social Entrepreneure
Die Social Entrepreneurship-Szene in Deutschland und Europa wächst und wächst. Dies nicht zuletzt durch neue und verbesserte Angebote.
- Das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland ist mittlerweile eine feste Institution und Anlaufstelle für alle Stakeholder rund um das Thema Social Entrepreneurship. Das Netzwerk hat in 2020 die Zahl ihrer Mitglieder verdoppelt und vertritt mittlerweile mehr als 600 Sozialunternehmer*innen. Trotz der Einschränkungen durch die Pandemie sind in 2020 in etlichen Bundesländer neue Regionalgruppen entstanden.
- Für Mentoring- und Acceleratorprogramme war 2020 ein schwieriges Jahr; vieles musste digital umgestellt werden. Wir freuen uns, dass die noch junge, uns ans Herz gewachsene, Impact Factory in Duisburg weiter wächst und inzwischen 4 “Batches” mit jeweils ca 20 bis 30 Sozialunternehmer*innen begleitet hat. Sie richtet sich sowohl an junge Startups, deren Geschäftsmodell noch geformt werden muss (“Create-ups”) als auch für Gründer*innnen, die vor der Herausforderung stehen, ihr noch junges Unternehmen großzuziehen (“Scale-ups”). Die Impact Factory ist bei weitem nicht das einzige Mentoring-Programm, dass es hierzulande gibt. In den letzten Jahren sind in immer mehr Städten in Deutschand, Österreich oder der Schweiz Social Impact Labs, Impact Hubs oder auch weitere Initiativen wie Social Innovation Labs oder das Mentoring-Programm von Project Together entstanden, die eine Fülle von Angeboten und herausragenden Programmen bieten. Die Impact Factory haben wir schätzen gelernt durch ihr besonders intensives, auf die Bedürfnisse des einzelnen Startups zugeschnittenes Programm.
Unsere Gexsi Highlights
Als eine Organisation, deren Mission die Stärkung des Social Entrepreneurship Sektors ist, blicken wir auf etliche Highlights in 2020 zurück, so etwa:
- unsere Impact Challenges gemeinsam mit der SensAbility der WHU Business School im Sommer sowie dem Enactus Startup Accelerator Pitch im Herbst.
- den Launch unserer regional adaptierten Gexsi Websuchen in der Schweiz, in Nordrhein-Westfalen sowie in Baden-Württemberg. Wer in diesen Regionen sucht, unterstützt automatisch soziale Innovatoren vor Ort – in aller Regel mit überregionaler Strahlkraft.
- den Launch unseres Gexsi Magazins, in dem wir nicht nur die von uns unterstützen Social Entrepreneurship-Projekte vorstellen, sondern Entwicklungen des Sektors national wie international abbilden, kommentieren oder einordnen – jede Woche neu!
Wir wünschen all unsern Leser*innen ein gesundes, glückliches Jahr 2021!