17 Ziele: Wie österreichische Sozialunternehmen die Kreislaufwirtschaft beflügeln

© Markus Spiske / Unsplash

Diese Sozialunternehmen aus Österreich handeln allesamt im Sinne der Kreislaufwirtschaft und leisten so nicht nur einen wichtigen ökologischen Beitrag, sondern steigern gleichzeitig die Zufriedenheit ihrer Konsument:innen.

Hinter der Idee der Kreislaufwirtschaft steckt der Gedanke eines in sich geschlossenen und regenerativen Kreislaufs, in dem Produkte und Rohstoffe über einen möglichst langen Zeitraum hinweg wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Als Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft, möchte die Kreislaufwirtschaft die begrenzten Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen also möglichst lange nutzen und wiederverwerten, um so die Lebensdauer von Produkten zu erhöhen und Abfall zu vermeiden. Langlebige Produkte sind nicht nur ökologisch nachhaltiger, sondern steigern gleichzeitig die Zufriedenheit der Konsument:innen, da sie langfristig gesehen Geld einsparen können. Hier stellen wir euch 10 Sozialunternehmen aus Österreich vor, die allesamt im Sinne der Kreislaufwirtschaft handeln und so einen positiven Beitrag für das SDG #12 – “Nachhaltige/r Konsum und Produktion”, SDG #9 – “Industrie, Innovation und Infrastruktur” sowie SDG #15 – “Leben an Land” bis hin zum SDG #16 – “Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen” leisten.

 

“Unverschwendet” verarbeitet überschüssiges Obst und Gemüse zu köstlichen Produkten

In Österreich werden einer aktuellen Studie zufolge sage und schreibe jährlich 760.000.000 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen. Dabei sind mit 53 Prozent über die Hälfte der verschwendeten Nahrungsmittel auf private Haushalte zurückzuführen, gefolgt von der Landwirtschaft und Produktion, wo insgesamt 30 Prozent der Lebensmittel weggeworfen werden. Schlusslichter bilden die Gastronomie mit 12 Prozent und der Handel mit 5 Prozent Überschussware. Ein echtes Problem unserer Zeit also. Wie schön, dass man mittlerweile viele Initiativen findet, die sich erfolgreich gegen unsere Wegwerfgesellschaft einsetzen. Während die Berliner Supermarktkette “Sirplus” eine Schnittstelle zwischen überschüssiger Ware aus Landwirtschaft und Produktion und den Konsument:innen bildet, knüpft die Retter-App “TooGoodToGo” neben Supermärkten auch an gastronomische Betriebe, um Lebensmittel vor der Tonne zu retten.

Eine österreichische Initiative, die sich dem Problem angenommen hat, und nach einem ganz ähnlichen Prinzip funktioniert, heißt “Unverschwendet”. Gerettet wird überschüssiges, unförmiges, und/oder krummes Obst, Gemüse und Kräuter aus der Landwirtschaft und Produktion. In liebevoller Handarbeit verarbeitet eine kleine Feinkostmanufaktur unschönes Obst und Gemüse weiter zu köstlichen Marmeladen, Chutneys, Eingelegtem, Ketchup, Saucen und Sirups. Seit der Gründung im Jahr 2016 konnte das Wiener Startup über 5 Millionen Kilo Lebensmittel retten. Neben Privat- und Firmenkund:innen arbeitet das junge Unternehmen zudem auch mit der Wiener Tafel und anderen sozialen Einrichtungen zusammen und macht so ihre Produkte einer breiten Masse zugänglich.

“Plasticpreneur” bietet Lösungen, die Plastikmüll wieder wertvoll macht

Unsere Welt ist mittlerweile voll von Plastik. So praktisch die Kunststoffe auch sein können, so problematisch ist der Abbau des Plastik. Daher ist es umso wichtiger, dass das Material möglichst häufig wiederverwendet und neu aufbereitet wird. Bedingt durch fehlende Recyclinganlagen, wenig Know-how und einem geringen Bewusstsein werden aktuell jedoch weltweit lediglich neun Prozent des Kunststoffabfalls recycelt. Das Wiener Sozial-Startup “Plasticpreneur” bietet Lösungen für das Recycling von Kunststoffen in kleinem Maßstab an. Mit ihren mobilen Maschinen ist es möglich, mit dem Plastik-Recycling von überall aus zu starten. Mittlerweile finden die Produkte des Sozialunternehmens in mehr als 55 Ländern auf fünf verschiedenen Kontinenten eine breite Anwendung. Somit hilft das Sozialunternehmen dabei, die Umwelt von Plastikmüll zu befreien, CO2-Emissionen einzusparen und ein besseres Bewusstsein für das Thema zu schaffen.

“Die Fairmittlerei” vermittelt Überschussware aus Industrie und Handel an NGOs

Während es im Lebensmittelbereich mittlerweile zahlreiche Initiativen finden, die positiv dazu beitragen, die Essensverschwendung zu minimieren, gibt es kaum Angebote im Non-Food-Bereich. “Die Fairmittlerei” ist Österreichs erste Initiative zur Verteilung von Produkten im Non-Food-Bereich, die nach demselben Konzept funktioniert wie das Pendant aus Deutschland (“Innatura”) und UK (“In-Kind Direct”).

Die Organisationen schließen die Lücke zwischen der Absicht des Spendens von Überschussware von Industrie und Handel und der tatsächlichen Weitergabe an gemeinnützige NGOs. Dabei kann die Fairmittlerei auf ein breites Netzwerk von Spender:innen zurückgreifen und übernimmt die komplette Lagerung und Logistik der überschüssigen Ware. Diese Überschussware vermittelt und liefert die Initiative schließlich an gemeinnützige Organisationen in ganz Österreich. Die Fairmittlerei schafft mit ihrer Arbeit eine echte Win-Win-Situation in logistischer und finanzieller Hinsicht, vor allem aber auch für die Umwelt – da die Ware nicht einfach in der Mülltonne landet, sondern sinnvoll weitergenutzt wird.

© Lukas Ilgner / Fairmittlerei
Das Team der Fairmittlerei will mit seiner Idee neue Wege aufzeigen,
die Verschwendung vorhandener Ressourcen zu reduzieren.

 

Echtes Handwerk und innovatives Design mit Mehrwert von “Gabarage Upcycling Design”

Das Wiener Label “Gabarage” vereint Handwerk und innovatives Design mit echtem Mehrwert. So steht hier das Upcycling von Industrieresten, Überproduktionen und Materialien im Fokus, die andernfalls entsorgt würden. In Zusammenarbeit mit ausgewählten Designer:innen wird den vermeintlichen Abfallprodukten eine neue Funktion zugeführt und der Lebenszyklus damit verlängert. Alte Aktenordner werden dann schon mal zu stilvollen Taschen umfunktioniert, Rolltreppenstufen werden zu Sofas und ehemalige Bowlingpins werden kurzerhand zu Kegelvasen gemacht. Und wenn ein Kleidungsstück dann irgendwann doch mal ausgedient hat, dann kann man dieses wahlweise über die App “Uptraded” oder eine der vielen anderen Kleidungstausch-Initiativen, die man dankbarerweise immer häufiger am Markt findet, weiter verkaufen.

Brüsli stellt knusprige Müsli aus überschüssigem Brot her

Auch das Wiener Jungunternehmen “Brüsli” nimmt sich seit diesem Jahr dem Problem der Lebensmittelverschwendung an und setzt ihren Fokus auf überschüssiges Brot, dass ebenfalls viel zu häufig im Müll landet. Man denke nur an die prall gefüllten Theken in Bäckereien kurz vor Ladenschluss. Genau diese Überschussware, die nicht mehr verkauft werden kann, aber noch völlig in Ordnung ist, verarbeitet “Brüsli” in Zusammenarbeit mit lokalen Bäckereien weiter zu knusprigen Müsli. Derzeit gibt es zwei verschiedene “Brüsli”-Sorten, die zusätzlich mit Früchten, Gewürzen und Nüssen angereichert werden und dabei komplett auf unnötige, künstliche Konservierungsstoffe verzichten.

Insektenproteine aus Industrie- und Lebensmittelabfällen von “Livin Farms”

Das Unternehmen “Livin Farms” mit Sitz in Wien und Hong Kong stellt natürliche Insektenproteine, -lipide und -dünger aus landwirtschaftlichen und industriellen Lebensmittelabfällen her. Die von den Insekten gewonnenen Zutaten werden zu hochwertigen Proteinnahrungsmitteln für Tiere und Pflanzen umgewandelt, die reich an Proteinen, Fasern und anderen Nährstoffen sind und das Wohlbefinden und die Gesundheit der Tiere steigern können. Die innovative ”Plug & Play”-Technologie des Unternehmens macht die Insektenaufzucht dabei einfach und effizient. Interessant für den Privatgebrauch ist derweil die Mehlwurmfarm für Zuhause, mit der man die eigenen Abfälle zu hochwertigem Bio-Dünger aufbereiten kann.

«Livin Farms befähigt Unternehmen mit Plug & Play-Insektentechnologie, den Kreislauf zu schließen und geringwertige Abfallströme mit der Kraft der Insekten zu verwerten.» – Livin Farms

“Green Sentinel” upcycelt Klärschlamm zum CO2-neutralen Brennstoff

Klärschlamm ist ein vergleichsweise unbekanntes Abfallproblem, welches jährlich jedoch enorme Kosten verursacht. Der Schlamm fällt aus der Behandlung von Abwasser in Kläranlagen an und besteht vor allem aus Wasser, organischen und mineralischen Stoffen. Genau diese Stoffe weiß die Firma “Green Sentinel” aufzuwerten: Mit dem eigens entwickelten Zero-Discharge “RSR”-Verfahren werden die im Klärschlamm enthaltenen Wertstoffe wie Phosphor zu einem CO2-neutralen Brennstoff, der ähnlich wie Pellets funktioniert, aufgewertet. Diese Aufbereitung kann entweder über stationäre Anlagen oder dank mobiler Behandlungsanlagen direkt am Entstehungsort erfolgen. Somit kann den Kläranlagen das gesamte Handling des Schlamms abgenommen und Entsorgungskosten minimiert werden.

Leihfahrräder von “EDDI Bike” mit sozialem und ökologischem Anspruch

Die Fahrräder von “EDDI Bike” sind dein Fahrrad-Abo mit öko-sozialem Impact. Denn die Leihfahrräder mit weißen Rädern sind nicht nur super stylisch und den unterschiedlichen Anforderungen von Großstädten gewachsen, sondern überzeugen auch mit ihrer Mission. So möchte das Wiener Unternehmen mit ihrem Engagement Städte zum einen aktiv mitgestalten und klimafreundliche Radmobilität nachhaltig fördern. Nachhaltig heißt dann auch schon mal, dass etwaige Schäden an den Rädern stets repariert werden und wieder in den Umlauf gebracht werden, anstatt sie achtlos wegzuwerfen. Zum anderen setzt sich EDDI für eine inklusive und diverse Gesellschaft ein, indem sie sozial benachteiligte Gruppen in das Unternehmen integriert und soziale Projekte unterstützt.

Mit der Stromgenossenschaft “OurPower” erneuerbare Energie von nebenan beziehen

Die am Gemeinwohl orientierte Stromgenossenschaft “OurPower” bietet mit ihrer Online-Plattform die Möglichkeit, Strom direkt und österreichweit von regionalen Erzeuger:innen aus dezentralen, erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Neben dem Kauf und Verkauf von Strom, kann man sich auch an neuen Kraftwerken beteiligen und so neue Finanzierungsmodelle für Gemeinschaftskraftwerke schaffen, die wiederum die Energiewende positiv beschleunigt. So nimmt sich Österreichs erste Bürger:innen-Genossenschaft den Energiemarkt zurück in die eigenen Hände und investiert auf innovative Art und Weise in eine lebenswerte Zukunft, die zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie besteht.

Du möchtest mehr zum Thema der Kreislaufwirtschaft erfahren? Glücklicherweise gibt es zahlreiche österreichische Verbände, die als tolle Anlaufstelle für das Thema fungieren. So findest du beispielsweise auf der Website von “Zero Waste Austria” eine Karte mit Unverpacktläden in deiner Nähe, wohingegen der Verein für Reparaturkultur “re.paro” aufzeigt, wo sich das nächste Repair-Café befindet. Möchtest du erstmal in deinen eigenen vier Wänden anfangen, dann könnte sich derweil ein Workshop mit der Lebensmittelabfallberaterin Elke Oberhauser lohnen, die mit dem Kärntner Verein “Best of the Rest” maßgeschneidertes Consulting für private Haushalte und Firmen anbietet.  In ihren Sitzungen wird nicht nur der gesunde Konsum von Nahrungsmitteln behandelt, sondern auch alle anderen Bereiche, die sich rund um den Konsum drehen, besprochen. Sie prüft die Lebensmittel auf ihre Qualität, erstellt individuelle Ernährungspläne und berät die Menschen dabei, wie man den Einkauf nachhaltig gestalten kann. Außerdem klärt sie auf, wie man verschiedene Lebensmittel richtig lagert und verwertet, sodass möglichst wenig Abfall anfällt. In ihren Beratungen setzt sie vor allem auf den Konsum von saisonalen und regionalen Produkten aus biologischem Anbau und gibt praktische Tipps, wie man eher unbekannte kulinarische Schätze wie Karottengrün und Radieschenblätter köstlich verwerten kann, damit diese nicht in der Mülltonne landen.

 

Die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development Goals (SDGs) sind ein Fahrplan für die Zukunft, den die Weltgemeinschaft 2015 beschlossen hat. Sie richten sich an alle: die Regierungen weltweit, aber auch die Zivilgesellschaft, die Privatwirtschaft und die Wissenschaft.

 

 

Ziel 12 – Nachhaltige/r Konsum und Produktion

In ihrer Agenda 2030 hat die Staatengemeinschaft für das SDG #12 – “Nachhaltige/r Konsum und Produktion” folgende Unterziele verankert:

  • Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen
  • Unternehmen dazu ermutigen, nachhaltiger zu produzieren und in ihre Berichterstattung Nachhaltigkeitsinformationen aufzunehmen
  • Das Bewusstsein der Konsument:innen für nachhaltigen Konsum erhöhen und ihnen die entsprechenden Informationen zur Verfügung stellen
  • In der öffentlichen Beschaffung nachhaltige Verfahren einzuführen

Ziel 9 – Industrie, Innovation und Infrastruktur

In ihrer Agenda 2030 hat die Staatengemeinschaft für das SDG #9 – “Industrie, Innovation und Infrastruktur” folgende Unterziele verankert:

  • Aufbau einer hochwertigen, verlässlichen, nachhaltigen und widerstandsfähigen Infrastruktur
  • Förderung einer breitenwirksamen und nachhaltigen Industrialisierung, insbesondere in den Entwicklungsländern den Zugang zu Finanzdienstleistungen erhöhen
  • Modernisierung der Infrastruktur und Nachrüstung der Industrie bis 2030, um sie nachhaltig zu machen, mit effizienterem Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse
  • Verbesserung der wissenschaftlichen Forschung und die technologischen Kapazitäten der Industriesektoren in allen Ländern ausbauen

Ziel 15 – Leben an Land

In ihrer Agenda 2030 hat die Staatengemeinschaft für das SDG # 15 – “Leben an Land” folgende Unterziele verankert:

  • Schutz und Wiederherstellung der Landökosysteme sowie die nachhaltige Nutzung fördern
  • Wälder nachhaltig bewirtschaften
  • Wüstenbildung bekämpfen
  • Bodendegradation beenden und umkehren 
  • Biologische Vielfalt erhalten

Ziel 16 – Frieden, Gerechtigkeit und starke

In ihrer Agenda 2030 hat die Staatengemeinschaft für das SDG # 16 – “Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen” folgende Unterziele verankert:

  • Friedliche und inklusive Gesellschaften schaffen
  • Bekämpfung von allen Formen der organisierten Kriminalität und Korruption
  • Aufbau leistungsfähiger, transparenter und rechenschaftspflichtiger Institutionen
  • Rechtsstaatlichkeit, allen Menschen Zugang zur Justiz gewährleisten
  • Illegale Finanz- und Waffenströme verringern

Dieser Beitrag ist Teil der Gexsi Österreich Blogserie und wird gefördert durch die Austrian Development Agency (ADA) aus Mitteln der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.